Ausbildungsgespräch führen / Selbstreflexion fordern und fördern

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Die Situation findet zwischen einer Studierenden der Fachhochschule im ersten Ausbildungsjahr und ihrer Praxisausbildnerin im Rahmen eines Praxisausbildungsgespräch statt. Beide sind auf einer Wohngruppe für geistig und körperlich Beeinträchtigte erwachsene Menschen tätig. Grundlage des Praxisausbildungsgespräch ist ein Teil einer Kompetenz der Kompetenzerwerbsplanung (KEP) von der Studierenden. Die Praxisausbildnerin bildet das erste Mal einen Studierenden aus und die Sitzung ist etwa die sechste PA-Sitzung.

Die Sitzung wird anhand einer Traktandenliste, welche von der Institution vorgeschrieben ist, abgehalten. Thema bei der heutigen Sitzung ist hauptsächlich das Thema Nähe und Distanz (Theorieinput) und die Reflexion einer von der Studentin erlebten Situation mit einem Klienten. Der Theorieinput und deren Reflexion ist ein Bestandteil der KEP. Die Praxisausbildnerin kennt die Situation mit dem Klienten nur aus dem Journaleintrag der Studentin und weiss im Vorfeld nicht, dass diese in der PA-Sitzung Thema sein wird.

Erste Sequenz: Theorieinput

Die Studentin gibt, wie im Vorfeld für diese PA-Sitzung traktandiert, einen kurzen Theorieinput zum Thema Nähe und Distanz. Sie bezieht dabei das Konzept der Institution nicht ein, obwohl dies laut den Bewertungskriterien der KEP verlangt wurde. Die Praxisausbildnerin gibt hierzu eine kurze Rückmeldung und gibt die fehlenden wichtigen Punkte der Konzepte der Institution wider, ohne von der Studentin eine erneute Auseinandersetzung mit dem Thema zu verlangen.

Nach der Schilderung der Theorie verknüpft die Studentin diese mit einer kürzlich erlebten Situation von ihr, welche sie der PA differenziert schildert und Unklarheiten werden damit aus dem Weg geräumt.

Reflection in Action

  • Emotion Student/in: dankbar, für Hilfestellung bei Konzept, gutes Gefühl bei Theorieinput und Fallbeschreibung
  • Emotion PA: enttäuscht, da Konzeptkriterien nicht genannt, da zentral im Arbeitsalltag; selbstkritisch -> zu schnell Lösung gegeben (zu konkrete Lösungsabgabe)
  • Kognition PA: Prozess zu schnell aufgegeben, könnte mehr Eigeninitiative von Student/in erwarten.

 

Zweite Sequenz: Rückmeldung der PA

Die Praxisausbildnerin gibt der Studentin über die geschilderte Situation und deren Reflexion Rückmeldung. Die Schilderung der Situation war differenziert und gut gewählt, dennoch fehlten der PA die Selbstreflexion der Studentin und wie sie sich in der Situation gefühlt hat und was es bei ihr auslöste. Dies wurde der Studentin erläutert.

Reflection in Action

  • Emotion Student/in: unverständnis, überrascht -> habe Situation erklärt und erzählt warum. Unklar -> was fehlt dem PA?
  • Emotion PA: fordernd -> möchte mehr über ihre Gefühle wissen.
  • Kognition PA: Hat sie’s vergessen, kommt noch was zum Thema Selbstreflexion. Was für Vorwissen hat sie zum Thema?

 

Dritte Sequenz: Widerstand zur Selbstreflexion

Die von der PA erwartete Selbstreflexion kann von der Studentin nicht wiedergegeben werden. Auch durch Fragen, welche die PA der Studentin stellt, kommen die Gefühle etc. der Studentin nicht zum Vorschein. Die Studentin kann sich nicht auf eine Selbstreflexion zu der erlebten Situation einlassen und blockt ab.

Reflection in Action

  • Emotion Student/in: überfordert, fühle mich angegriffen.
  • Emotion PA: erschrocken, hilflos, wütend
  • Kognition PA: Erwartung das Fähigkeit zur Selbstreflexion vorhanden ist.

 

Vierte Sequenz: Erklärung und Überforderung der PA

PA teilt ihr mit, dass es wichtig sei, dass sie die Selbstreflexionsfähigkeiten erlernen sollte, da dies ein wichtiger Bestandteil in der Arbeit mit den Klienten sei. Dies sind Erfahrungen, welche die PA in ihrer Ausbildung und beruflichen Arbeit gesammelt hat.

Die Studentin kann sich auch nach der zweiten Rückmeldung nicht darauf einlassen und die PA ist mit der momentanen Situation überfordert, wie sie die Studentin aus der Reserve locken könnte. Der Versuch, die Situation noch selbstreflektierter Auszuwerten, wird auf die nächste Sitzung vertagt.

Reflection in Action

  • Emotion Student/in: überfodert, was möchte sie schon wieder?
  • Emotion PA: hilflos, enttäuscht, überfordert
  • Kognition PA:

5.1      Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?

  • Menschenbild: spielt die interkullturelle Prägung eine Rolle?

 

5.2      Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?

  • Lernen am Model: Agieren als Vorbild?

 

5.3      Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?

 

 

5.4      Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?

 

5.5      Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?

 

5.6      Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?

 

5.7      Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?

  • Personenzentrierter Ansatz nach C. Rogers: Wertschätzung, Kongruenz und Empathie im Gespräch

Gefäss für die Reflexion erschaffen:

  • Der Reflexionsteil des Gespräches war einseitig, da die PA zu viel ergänzende Inputs gegeben hat und zu wenig Reflexionsgefässe angeboten hat. Dabei stellte sich der PA die Frage, ob der Studierenden nicht klar war, was gefragt wurde oder ob sie sich nicht öffnen wollte.

Personenzentrierte Gesprächsführung nach C. Rogers:

  • Anfängliche personenzentrierte Gesprächsführung fand statt, gegen Ende des Gesprächs vermehrte Unsicherheit, welches bei der Studierenden zur Abwehr führte.

Gefäss für die Reflexion erschaffen:

  • Anwendung vom Lernen am Modell (nach Bandura) mit einem Selbstreflexionsbeispiel von der PA.

Personenzentrierte Gesprächsführung nach C. Rogers:

  • Ansprechen der Emotionen, warum die Selbstreflexion abgeblockt wurde. Handlung je nach Aussage der Studierenden (Empathie, Wertschätzung und Kongruenz).

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