Kritische Situationen begleiten / Sexueller Übergriff in einem Wohnheim

Stichwörter:

Die Situation spielt sich in einer stationären Einrichtung für geistig – und mehrfachbehinderte Menschen ab. Die Klienten und Klientinnen sind erwachsen und leben auf verschiedenen Wohngruppen mit sechs bis acht Bewohnern. Verschiedene Ateliers und Erlebnisräume bieten Tagesstruktur. Der Vorfall ereignete sich auf einer Wohngruppe für sehr selbständige junge Erwachsene mit niedrigem Betreuungsaufwand.

Erste Sequenz

Sequenz 1: Weckrunde

Am morgen früh um 7.00 Uhr macht die PSA ihre Weckrunde. Sie beginnt bei der Klientin M. Die Zimmertür von Klientin M. ist immer offen – sie kann nicht schlafen wenn diese verschlossen ist. Die PSA stellt mit Erstaunen fest, dass die Tür heute zu ist.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: …
  • Emotion Professionelle/r: Die PSA wundert sich über die geschlossene Tür. Die PSA bemerkt bei sich ängstliche und misstrauische Gefühle.
  • Kognition Professionelle/r: Die PSA überlegt sich verschiedene Möglichkeiten / Gründe wieso Klientin M. die Türe geschlossen hat. Da sie die Klientin schon länger kennt, wird ihr bewusst, dass dies einen triftigen Grund haben muss. Die PSA weiß, dass die Klientin nicht bei geschlossener Tür schlafen kann. Die PSA nimmt sich vor, Klientin M. gleich danach zu fragen.

 

 

Zweite Sequenz

 

Die PSA klopft an die Tür und sagt: guten Morgen M., hast du gut geschlafen? Klientin M. antwortet mit Ja. Die PSA fragt, ob sie reinkommen darf? Die Klientin M. bejaht die Frage und die PSA tritt in das Zimmer. Klientin M. ist am morgen jeweils sehr verschlafen und braucht etwas Zeit bis sie einigermaßen wach ist. Die PSA ist sich dessen bewusst und gibt der Klientin M. die nötige Zeit um zu erwachen.

Im Zimmer fragt die PSA erneut, ob die Nacht gut verlaufen ist und ob die Klientin M. gut geschlafen habe. Klientin M. verneint dieses Mal und sagt nichts. Die PSA erkundigt sich warum sie heute bei geschlossener Tür geschlafen habe. Sie bemerkt dabei, dass sie das erstaune? Klientin M. richtet sich langsam auf und setzt sich auf die Bettkante. Klientin M. sagt, dass etwas Schlimmes passiert sei in der Nacht. Die PSA setzt sich zu ihr auf die Bettkante und fragt nach. Klientin M. erzählt, dass sie in der Nacht plötzlich etwas Rotes hinter der offenen Zimmertür gesehen habe. Sie habe dann gemerkt, dass es B. sei. von der Wohngruppe Z1. Er habe sich ausgezogen und sei zu ihr ins Bett gestiegen und habe sich ganz fest an sie gedrückt. Klientin M. erzählt, dass B. versucht hat in sie einzudringen. Sie habe mehrmals gesagt, dass er gehen soll worauf er nicht reagiert habe. Schließlich habe sie ihn getreten, geschlagen und ihm gedroht die Nachtwache anzurufen. Auf dieses Verhalten hin sei B. aufgestanden und gegangen. Klientin M. erzählt alles langsam aber genau. Die PSA hört zu, versucht Klientin M. nicht zu unterbrechen, muss aber teilweise kurz nachfragen weil sie Klientin M. nicht immer so gut versteht.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Wirkt sehr schockiert, verunsichert und verwirrt. Zeigt Angst aber auch Wut.
  • Emotion Professionelle/r: Die PSA ist sprachlos und sehr betroffen über das Gehörte. Sie kann das ganze nicht recht einordnen, versucht ihre Gedanken zu sortieren. Die PSA kämpft auch mit einem Gefühl der Überforderung wie sie sich in einer solchen Situation verhalten soll / muss.
  • Kognition Professionelle/r: Die PSA versucht, dass Gehörte innerlich zu verstehen und gegen Außen der Klientin M. Sicherheit zu vermitteln. Sie versucht trotz Betroffenheit gut zuzuhören und die Klientin M. nicht allzu oft in ihrer Erzählung zu unterbrechen. Die PSA macht sich schon während der Erzählung Gedanken wie sie nun weiter vorgehen muss. Außerdem ist sie sich bewusst, dass sie noch fünf weiter Bewohner wecken muss und dass das Frühstück rechtzeitig bereitstehen sollte. 

 

 

Dritte Sequenz

 

Weiteres Vorgehen

Die PSA versucht keine Unruhe aufkommen zu lassen, sagt zu Klientin M. dass das wirklich etwas Schlimmes sei und das es gut ist, dass sie alles der PSA erzählt habe. Die PSA informiert Klientin M., dass sie diesen Vorfall jetzt gleich ihrem Vorgesetzten und den Teammitgliedern melden müsse, verspricht ihr aber mit niemandem sonst über die Geschehnisse zu sprechen und versichert ihr, dass sie sie über alle Schritte, die ab sofort passieren werden, immer sobald als möglich informieren werde.

Die PSA erkundigt sich, ob es für M. ok sei sich nun anzuziehen und Frühstück zu essen. Klientin M. bejaht und schickt sich an ihre Morgentoilette zu verrichten.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Immer noch schockiert, wütend, etwas erleichtert nach dem Erzählen.
  • Emotion Professionelle/r: PSA versucht ruhig und verständnisvoll zu bleiben obwohl das Erzählte sie emotional sehr aufwühlt. Sie spürt eine gewisse Unsicherheit und weiß nicht sicher, ob sie richtig reagiert hat. Die PSA hat den Eindruck, dass Klientin M. sich etwas beruhigen konnte und nach dem Erzählen einen erleichterten Eindruck macht.
  • Kognition Professionelle/r: Die PSA fragt sich, ob sie richtig reagiert hat? Sie hat das Gefühl, dass sie mehr Ruhe einbringen kann, wenn sie möglichst sachlich, objektiv und klar in ihren Aussagen ist. Die PSA merkt, dass Klientin M. gerade jetzt sehr viel Sicherheit braucht. Die PSA versucht das Erzählte nicht wie ein Film in ihrem Kopf ablaufen zu lassen, sondern so wenige Emotionen wie möglich in sich aufkommen zu lassen.

 

 

Vierte Sequenz

Meldung an Vorgesetzten

Die PSA verlässt das Zimmer und macht mit der Weckrunde weiter.
Nach dem Morgenessen sucht die PSA ihren Vorgesetzten im Büro auf und erzählt ihm die von M. geschilderten Vorkommnissen der letzten Nacht. 

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Ist nach wie vor verunsichert, Gefühle der Scham sind groß und vergrößern sich, weil sie weiß, dass nun mehrere Personen über die Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt werden. Fühlt sich alleine nicht wohl, merkt, dass sie Sicherheit braucht.  
  • Emotion Professionelle/r: Während der Weckrunde fühlt sich PSA weiter überfordert mit der Situation und ist mit ihren Gedanken nicht bei den zu verrichtenden Tätigkeiten. Sie merkt, dass sie auf die Bedürfnisse der anderen Bewohner nicht recht eingehen kann. Im Gespräch mit ihrem Vorgesetzten verspürt sie eine gewisse Erleichterung, die Geschehnisse mit jemandem teilen zu können. Die Gefühle der Betroffenheit und der Fassungslosigkeit sind nach wie vor vorhanden. Die Klientin M. alleine zu lassen fällt ihr schwer. Die PSA bemerkt bei sich auch körperlich die Aufregung, ihr Puls ist seit sie von dem Vorfall gehört hat, merklich höher.
  • Kognition Professionelle/r: Die PSA versucht ihrem Vorgesetzten die Geschehnisse so weiter zu geben, wie sie sie von der Klientin M. gehört hat. Es fällt ihr schwer nicht schon Interpretationen vorzunehmen und Vermutungen anzustellen. Die PSA versucht sachlich zu bleiben und den Vorfall objektiv zu schildern. Sie merkt während ihrer Schilderung, dass es viele Lücken in der Erzählung gibt, Details, die von der Klientin nicht erwähnt wurden. Nach dem Gespräch ist die PSA etwas sicherer, dass sie sich nicht komplett falsch verhalten hatt

5.1      Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?

Sexueller Missbrauch / Sexuelle Gewalt:

Unter diesen Begriffen werden sexuelle Handlungen an Personen bezeichnet, die gegen deren Willen und ohne gegenseitiges Einverständnis ausgeführt werden. Sexualität wird als Mittel eingesetzt, um die eigenen Dominanz herzustellen und / oder andere zu demütigen, zu verletzen oder herabzusetzen. Jegliches Verhalten, dass in die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen Menschen eingreift und sich über diese hinwegsetzt, wird als sexueller Missbrauch / Sexuelle Gewalt bezeichnet.

Die Auswirkungen von Sexuellem Missbrauch können sich auf verschiedenste Arten und durch unterschiedlichste Symptome äußern. Es ist praktisch unmöglich spezifische Kriterien zu benennen, die zwingend auf einen sexuellen Missbrauch hindeuten. Die Folgen eines Missbrauchs wirken sich auf die gesamte Persönlichkeit aus. Sie treten unmittelbar oder verzögert auf und können sich in physischer aber auch psychischer Form äußern. Auch plötzliche Verhaltensänderungen können Hinweise auf einen Missbrauch sein.

Menschen mit einer Beeinträchtigung werden etwa viermal mehr Opfer sexueller Gewalt als Menschen ohne Beeinträchtigung. Die wichtigsten Risikofaktoren dabei sind, das große Machtgefälle in den Betreuungsverhältnissen und verschiedenste Formen von Abhängigkeiten (vgl. http://www.lebenshilfe-sh.de/wData/downloads/veroeffentlichungen/Leitfaden-Sexuelle-Gewalt.pdf?listLink=1).

In den UN-Menschenrechtskonventionen gilt explizit der Schutz der Privatsphäre. Dies bedeutet unter anderem das Recht auf physische und psychische Integrität und das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Sexueller Missbrauch / Sexuelle Gewalt gilt als ein Vergehen oder Verbrechen und ist strafbar (vgl. http://www.humanrights.ch/de/service/menschenrechte/privatsphaere/ ).

Im vorliegenden Fall wird deutlich, dass es um einen Fall der sexuellen Gewalt geht.

 

Personenzentrierte Gesprächsführung:

Folgende Grundsätze sind zentral in der personenzentrierten Gesprächsführung:

Positive Wertschätzung und bedingungsloses Akzeptieren, Einfühlendes Verstehen und Echtheit / Kongruenz.

Positive Wertschätzung und bedingungsloses Akzeptieren bedeutet, dass der Gesprächsführende sich über den Klienten kein Urteil bildet und ihn als Individuum mit eigenen Werten respektiert. Dadurch kann sich der Klient sicher und akzeptiert fühlen.

Einfühlendes Verstehen bedingt, dass sich der Gesprächsführende in die Gefühlswelt des Klienten hineinzuversetzen versucht. Er versucht durch verbalisieren eine Spiegelung der Gefühle des Klienten wiederzugeben. Dies geschieht vor allem durch aktives Zuhören

Mit Echtheit und Kongruenz ist gemeint, dass sich das innere Denken und Fühlen des Gesprächsführenden deckt mit seinen äußeren Handlungen. Die Übereinstimmung ist die Voraussetzung, dass sich der Gesprächsführende dem Klienten gegenüber empathisch zeigen kann und ihm uneingeschränkte Wertschätzung entgegenbringen kann. Während des Gesprächs sind drei Stufen zu berücksichtigen: Das verständnisvolle Zuhören, das Paraphrasieren und das verbalisieren von emotionalen Erlebnisinhalten.

Beim verständnisvollen, aktiven Zuhören geht es darum, dem Klienten zu zeigen, dass er verstanden wird und dass der Gesprächsführende an seinen Gedanken und Emotionen interessiert ist.

Durch Paraphrasierungen wird dem Klienten ermöglicht, seine Gedanken noch gezielter wahrzunehmen und er kann dadurch erkennen, ob er richtig verstanden wird. Beim Verbalisieren von emotionalen Erlebnisinhalten spiegelt der Gesprächsführende dem Klienten seine Wahrnehmung von dessen emotionalem Erleben.

In der beschriebenen Situation ist es wichtig, dass sich die PSA bewusst, ist, dass die Klientin ein – möglicherweise – traumatisches Erlebnis hatte. Ebenfalls zentral ist, dass sich die PSA ein möglichst genaues Bild der Ereignisse machen kann ohne die Klientin durch Fragen etc. noch mehr zu verstören und zu traumatisieren. Dafür eignet sich die Methode der Personenzentrierten Gesprächsführung. (vgl. http://www.carlrogers.de/grundhaltungen-personenzentrierte-gespraechstherapie.html )

 

 

5.2      Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?

Die PSA muss sich einen Überblick über den Vorfall verschaffen und das weitere Vorgehen planen. Dafür eignet sich das Konzept der kooperativen Prozessgestaltung (KPG) (vgl. Hochuli Freund/Stotz: 2015). Dieses Prozessmodell beinhaltet sieben Prozessschritte: Situationserfassung, Analyse, Diagnose, Zielsetzung, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Evaluation. Im vorliegenden Fall kann die PSA diese Schritte nicht alleine durchführen. Die Verantwortlichen der Institution und der direkte Vorgesetzte müssen so schnell wie möglich informiert und miteinbezogen werden. Ebenfalls muss die Klientin über alle Schritte und Maßnahmen, die nun erfolgen, immer informiert und einverstanden sein. Für den ersten Moment ist aber die Denkstruktur des KPG wichtig für die PSA und gibt ihr eine erste Orientierung wie sie weiter vorgehen soll.

Um der Klientin Sicherheit zu geben, ist es wichtig, dass die PSA möglichst ruhig und sachlich bleibt und sich von ihren eigenen Emotionen distanziert. Dies gelingt ihr am besten, wenn sie der Klientin aktiv zuhört und gegebenenfalls offene Fragen stellt, um die Geschehnisse besser zu verstehen. Auf keinen Fall sollte die PSA immer wieder nachfragen, Suggestivfragen stellen und somit die Klientin immer wieder mit dem Erlebten konfrontieren.

Schon während dem Zuhören muss sich die PSA Gedanken machen, wie sie weiter vorgehen muss.

5.3      Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?

Die PSA kennt die Klientin seit sechs Jahren und weiß aus Erfahrung, dass sie ungern bei geschlossener Zimmertür schläft. Darum ist die PSA irritiert über die geschlossene Tür und macht sich sofort Gedanken über die Gründe.
Die PSA weiß, dass die Klientin schnell verunsichert ist, wenn sie (PSA) emotional auf eine Situation reagiert. Die Klientin verliert dann die Orientierung und wird emotional sehr instabil.

 

5.4      Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?

Sicherheitsdispositiv der Institution gibt vor, dass alle Eingangstüren ab 21. 00 Uhr geschlossen sein müssen. Im Moment der beschriebenen Situation ist unklar wie der Bewohner B auf die Wohngruppe gekommen ist.

Die PSA muss sich an den Leitfaden und an die Linie (Hierarchie) der Institution halten, welche die Schritte vorgeben, die in einem solchen Fall notwendig sind.

Gemäß dem momentanen Wissensstand ist es nicht zu einer Vergewaltigung gekommen. Der Straftatbestand stellt eine sexuelle Nötigung dar. Die Klientin muss sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen.

Es gibt keine Verpflichtung eine Anzeige zu machen. Die Vor – und Nachteile sollten sorgfältig mit allen Beteiligten abgewogen werden.

Die PSA hat sich an die Schweigepflicht zu halten und darf nur informieren, wenn die Klientin damit einverstanden ist. Dabei gilt es abzuwägen, ob sie die Tragweite des Vorfalls kognitiv erfassen kann.

Die PSA muss sich bewusst sein, dass sie nicht nur der Klientin M gegenüber Verantwortung trägt, sondern auch den anderen Bewohnern gegenüber, die auf der Wohngruppe leben.



5.5      Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?

  • Situation erkennen, ernst nehmen und adäquat handeln
  • Professionelle Nähe muss vorhanden sein, damit die Klientin sich der PSA anvertrauen kann
  • Bedürfnisse und Emotionen der Klientin wahrnehmen
  • Distanz zum Vorfall halten können, objektiv und sachlich bleiben
  • Überblick behalten, andere Bewohner nicht vergessen
  • Stetige Reflexion während den verschiedenen Handlungen



5.6      Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?

Die PSA kann den Fall ihrem Vorgesetzten weiterleiten. Der Vorgesetzte leitet ihn an den agogischen Fachdienst weiter. Der Fachdienst übernimmt die Fallführung und leitet alle nötigen Schritte in die Wege. Die PSA wird somit etwas entlastet, wird aber weiterhin in alle Schritte miteinbezogen, die die Klientin betreffen. 



5.7      Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?

In dieser Situation stehen die Grundrechte wie die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das Recht auf physische und psychische Integrität im Vordergrund. Ebenfalls zentral ist der Schutz der Klientin, der gewährleistet sein muss und die Verantwortung, die die Fachpersonen ihr gegenüber hat.

Berufsethik: die PSA steht in der Pflicht die physische und psychische Integrität der Klientin zu schützen. Sie steht in einem vertrauensvollen und wertschätzenden Verhältnis zu der Klientin.

Berufskodex: Die PSA ist im Rahmen des Berufskodex verpflichtet die Klientin zu schützen und mit den von ihr erhaltenen Informationen vertraulich umzugehen.

Menschenbild: Die Mitarbeiter der Institution arbeiten auf der Grundlage eines humanistischen Menschenbildes und streben für alle Bewohner eine höchstmögliche Lebensqualität an.

Die PSA hat über die sechs Jahre ein vertrauensvolles Verhältnis zu der Klientin aufgebaut. Sie kennt sie sehr gut und kann somit auf kleinste Veränderungen ihres Verhalten spezifisch reagieren. Im Gegenzug konnte die Klientin zur PSA ebenfalls eine von Vertrauen geprägte Beziehung aufbauen. Die Klientin hat gelernt, dass sie sich in schwierigen Situationen an die PSA wenden kann und diese ihre Anliegen versucht zu vertreten und zu ermöglichen.

Die PSA ist sich bewusst, dass sie mit den von der Klientin erhaltenen Informationen sorgfältig umgehen muss. Sie bespricht mit der Klientin, dass sie den Vorfall weiterleiten muss, verspricht ihr aber, dass sie sie über alle weiteren Schritte immer unverzüglich informieren werde.

Die von der Institution vorgegebenen Verfahren im Falle eines sexuellen Missbrauchs werden von der PSA eingehalten. Sie hält sich konsequent an die Linie und informiert ihre Vorgesetzten unverzüglich. Dabei stellt die PSA fest, dass es für sie erleichternd ist, den Vorfall jemandem zu erzählen und die Verantwortung nicht alleine tragen zu müssen.

Während dem Zuhören und den Handlungen danach verhält sich die PSA sachlich und objektiv. Trotzdem versucht sie für die Klientin eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Die PSA ist sich bewusst, dass es für die Klientin in ihrem momentanen Zustand nicht gut wäre, wenn sie als PSA in eine aufgeregte und nervöse Stimmung kommen würde. Auf Grund von früheren Erfahrungen, weiß die PSA, dass vorschnelles Handeln und Interpretieren nicht zu guten Lösungen führen wird. Sie versucht darum Ruhe zu bewahren und den Vorfall genau so, wie sie ihn gehört hat, weiterzuleiten.

Der Leitfaden / Konzept Sexualität der Institution hält fest, dass alle Bewohner ein Recht auf selbstbestimmte und individuell gelebte Sexualität haben. Im Falle des Täters scheint es, dass er unter Defiziten zu leiden hat und somit versucht, sich die gewünschte Sexualität mit Gewalt zu ermöglichen.

Offensichtlich hat das Sicherheitsdispositiv in der vorliegenden Situation nicht funktioniert. 

Rückblickend auf den Vorfall, muss sich die PSA Gedanken machen, wie sie mit der Klientin daran arbeiten kann, dass diese auch bei geschlossener Zimmertür gut und erholsam schlafen kann. Dabei muss die PSA eruieren, warum die Klientin, die Zimmertüre bis jetzt nicht schließen mochte. Trotz vertrauensvoller Beziehung war sich die PSA nicht bewusst, dass eine offene Zimmertüre für die Klientin eine Gefahr darstellen könnte.

Außerdem muss das Sicherheitsdispositiv (Zugangstüren zu WG) neu überdacht werden und allenfalls angepasst werden.

In der vorliegenden Schlüsselsituation wurde die Situation des Täters nicht betrachtet. Hier liegt die Verantwortung teilweise bei der Institution aber auch bei den direkt Betreuenden des Täters. Es scheint, dass der Täter seine sexuellen Wünsche nicht so ausleben kann wie er sich das wünschen würde. Um solche Vorfälle zu verhindern, muss auch dabei angesetzt werden, dass es möglichst keine sexuell frustrierten Bewohner gibt. Dabei ist es wichtig, dass die Umsetzung des Leitfadens / des Konzepts Sexualität von der Institution stetig geprüft wird. 

  • Hochuli Freund, Ursula/Stotz, Walter (2015). Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit. Ein methodenintegratives Lehrbuch. 3., überarbeitete Auflage. Stuttgart. Kohlhammer.
  • http://www.lebenshilfe-sh.de/wData/downloads/veroeffentlichungen/Leitfaden-Sexuelle-Gewalt.pdf?listLink=1
  • http://www.humanrights.ch/de/service/menschenrechte/privatsphaere/
  • http://www.carlrogers.de/grundhaltungen-personenzentrierte-gespraechstherapie.html

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