Mit Klient*innen verhandeln / Jugendtreff

Stichwörter:

Die offene Jugendarbeit der Gemeinde X hat das Ziel, den Jugendlichen zwischen 12 und 22 Jahren zu ermöglichen, Projekte partizipativ mit zu gestalten und umzusetzen. Dadurch soll ihnen die Chance gegeben werden, Entwicklungsaufgaben positiv bewältigen zu können. Die Soziokulturelle Animation (PSA) begleitet die Jugendlichen bei der Ausführung und Planung der Projekte. Am Ende einer Veranstaltung wird diese kurz gemeinsam reflektiert.  Die Situation findet an einer Party einer Klasse der ersten Sekundarstufe statt, welche von der lokalen Jungendarbeit beaufsichtigt und von einer Gruppe Jugendlichen durchgeführt wird. Mehrere Jugendliche der zweiten Sekundarstufe schleichen sich unerlaubt in die Party ein, einerseits durch den von Jugendlichen kontrollierten Eingang und andererseits durch den Notausgang des Clubs.

Erste Sequenz: Kontaktaufnahme

Die PSA begleitet einzeln die Schüler der zweiten Sekundarstufe aus dem Club hinaus und verweist auf die Altersbeschränkung dieser Party.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Abgelehnt, amüsiert, aufgeregt, nervös
  • Emotion Professionelle/r: Erstaunt, amüsiert, fühlt sich verantwortlich für die Party.
  • Kognition Professionelle/r: Tragt die Verantwortung für die Party und möchte der ersten Sekundarstufe eine ungestörte und sichere Partyatmosphäre bieten. Ist verwundert, dass älteren Stufen an der Party teilhaben möchten.

 

Zweite Sequenz: Diskussion und Argumentation

Eine Schülerin (K) begründet ihren Unmut, nicht an der Party teilnehmen zu können. Sie zählt verschiedene Gründe auf, warum sie teilhaben sollte. Die PSA zeigt Verständnis und versucht K zu motivieren, eine andere Beschäftigung zu finden oder sich an Projekten zu beteiligen um ihre eigenen Ideen einzubringen. K versucht weiter zu argumentieren und PSA verweist erneut auf die Altersbeschränkung, welche an diesem Anlass ohne Ausnahme bestehen bleibt.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Abgelehnt, unverstanden, stark, selbstbewusst
  • Emotion Professionelle/r: Amüsiert, überlegen, verantwortlich für die Party, unsicher, überfordert.
  • Kognition Professionelle/r: Bewusstsein, dass PSA oder das Partyteam die Regeln der Party vorgibt und nicht die Besucher. Spannend, welche Argumente den Jugendlichen einfallen. PSA ist sich bewusst, dass K nicht auf die Regeln hören wird.

 

Dritte Sequenz: Verweigerung und Wiederholung

K probiert wiederholt, sich in die Party zu schleichen. Die PSA muss wiederholt eingreifen und mit der Jugendlichen über die Altersbeschränkung argumentieren. K probiert sich nun nicht mehr unbemerkt einzuschleichen, sondern versucht, sich an den kontrollierenden Jugendlichen und PSA vorbeizudrücken. PSA muss wiederholt die einzelnen Jugendlichen heraus begleiten.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Genervt, abgelehnt, unwichtig, nervös.
  • Emotion Professionelle/r: Gestresst, überfordert, genervt, im Stich gelassen, beengt von den Schülern, beschämt.
  • Kognition Professionelle/r: Wie viel Körperkontakt ist angemessen? Um Regeln durchsetzten zu können, reicht argumentieren nicht mehr. Welche Handlungsalternativen gibt es, wie wird diese Situation von den Partyteilnehmern und Teilnehmerinnen und dem Chef der PSA wahrgenommen?

 

Vierte Sequenz: Auflösung der Situation

Erst durch das Ende der Party, als sich die einzelnen Schüler und K von den PSA verabschieden, löst sich die Situation auf. K entschuldigt sich bei PSA und verabschiedet sich.

Reflection in Action

  • Emotion Klient/in: Amüsiert, ruhiger, entspannt. 
  • Emotion Professionelle/r:  Beruhigt, erlöst, zufrieden, amüsiert, erstaunt.
  • Kognition Professionelle/r: Konnte der ersten Sekundarstufe und deren Party so gut wie möglich gerecht werden. Party ist vorbei, überrascht über die Einsicht von K. Was kann für zukünftige Partys verändert werden?

5.1      Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?

Entwicklungspsychologie E. Erikson
Die Entwicklungspsychologie stellt für die unterschiedlichen Altersphasen bzw. Stufen eine Orientierung bereit über Leistungen, Erwerb von Kompetenzen und Fertigkeiten wie auch zu bewältigende Anforderungen und Probleme. Dabei sind interindividuelle Unterschiede zu berücksichtigen, wie Geschlecht, Kultur, etc. (vgl. Berk 2005: 20ff.).In der Adoleszenz setzen sich die Jugendlichen mit der eigenen Identität auseinander. Die Erfahrungen der vorherigen Stufen oder Elemente davon werden zusammengefügt, oder in Frage gestellt. Die Erwartungen der Umwelt verändern sich, sowie der Körper und Hormone. Durch das Experimentieren von Alternativen kann ein Prozess der Selbstfindung ausgelöst werden, wodurch sich die Persönlichkeit und eigenen Wertvorstellungen bilden können. Beim Misslingen dieser Entwicklungsstufe kann es zu einer Rollendiffusion des Jugendlichen kommen mit unklarer Zukunftsperspektive (vgl. Script BA03 2011: 526).

In der Situationsbeschreibung probiert K verschiedene Möglichkeiten aus in die Party reinzukommen, zudem argumentiert sie sehr differenziert. K zeigt unterschiedliche Verhaltensweisen und experimentiert damit, dabei achtet sie auf die Reaktion von der PSA. K orientiert sich zudem an ihrer Peergroup, hört aber trotzdem den Aussagen von der PSA genau zu. K scheint sich an verschiedenen Werten und Normen zu orientieren. Die eigenen Begründungen, warum sie an der Party teilnehmen sollte, widersprechen sich teilweise.

Das Konzept der Selbstwirksamkeit nach Bandura
Die Selbstwirksamkeit ist laut Bandura eine wichtige Voraussetzung zur Verhaltensänderung. Mit dem wiederholten Ausführen von Aufgaben soll schrittweise das Bewusstsein gestärkt werden, damit das eigene Wirken zu einem positiven Effekt führt. Das heisst, dass sich Klienten beim eigenen Handeln der eigenen Wirksamkeit bewusst werden sollen (vgl. Hurrelmann 2002: 66).

Die PSA bemerkt in der Verhandlung, dass K in der Situation gerade nicht in der Lage ist, sich für eine eigene Handlung und somit Veränderung zu begeistern. Deshalb versucht die PSA aufzuzeigen, wie sich K zukünftig selbst an Projekten beteiligen kann um ihr damit ihre Selbstwirksamkeit bewusster zu machen.

 

5.2      Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?

Lösungsorientierter Ansatz
Beim Lösungsorientierten Ansatz geht es darum, den Fokus weg von den Problemen Richtung möglicher Lösungen zu setzen. Bei der gemeinsamen Erarbeitung von Lösungswegen werden die eigenen Ziele, das Verhalten und die Handlungskompetenzen der Klienten und Klientinnen beachtet. Die Klienten und Klientinnen werden dabei als Experten angesehen. Ziel ist es Lösungen zu erarbeiten, welche von ihnen selbständig umgesetzt und erreicht werden können (vgl. Hochueli Freud/ Stotz 2009/2010: 1f). Die PSA versucht im Gespräch mit K heraus zu finden, welche Bedürfnisse diese hat und sucht gemeinsam mit K eine Lösung. Dabei zeigt die PSA K auf, welche Möglichkeiten ihr die Jugendarbeit bieten kann und wie sie bei der Umsetzung von Ideen und Zielen unterstützt werden kann. K hört erst interessiert zu, zeigt aber bald kein weiteres Interesse selbstständig bei einem Projekt mitzuwirken. Stattdessen beginnt sie erneut zu argumentieren, um an der Party teilnehmen zu können.

Gewaltfreie Kommunikation
Die Gewaltfreie Kommunikation wurde in den siebziger Jahren von Marshall B. Rosenberg entwickelt. Die Kommunikations- und Konfliktlösungsmethode verzichtet auf negative Äusserungen, Kritik, Beschuldigungen, etc. Dagegen wird die Aufmerksamkeit auf die Gefühle und Bedürfnisse der Beteiligten gerichtet. In der Gewaltfreien Kommunikation wird ausgedrückt, was einen bewegt und was man möchte. Als Zuhörer versucht man zu verstehen. In jedem Gespräch sollen die vier Komponenten Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten ausgesprochen und verstanden werden. Wichtig dabei ist, Beobachtungen von Bewertungen zu unterscheiden. Gewaltfreie Kommunikation soll ermöglichen, eine zufriedenstellende Lösung zu finden, indem Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten geäussert werden (vgl. Script   BA10 2012: 1ff.).

Die PSA versuchte auf die Bedürfnisse von K einzugehen und diese zu verstehen. Auch K hörte anfangs aufmerksam zu, warum die Altersbeschränkung besteht und durchgesetzt wird. Da sich die Klientin aber vorwiegend darauf fokussiert, an der Party teilnehmen zu können, gestaltet sich die Kooperation zwischen der PSA und K schwierig. Um die jüngeren Gäste der Party zu schützen, fühlt sich die PSA verpflichtet, die Regeln des Events durchzusetzen ohne den Bedürfnissen von K gerecht zu werden.

Partizipationspyramide
Partizipation bedeutet Teilhabe und ist eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung von Projekten mit Jugendlichen. Es ist ein Grundanliegen in der Politik Partizipation in allen Gesellschaftsgruppen zu fördern. Es müssen aktiv Voraussetzungen geschaffen werden, um Kinder und Jugendliche demokratisch zu beteiligen. Indem Jugendliche mitentscheiden können, werden ihre Fähigkeiten in ihrem sozialen Umfeld gestärkt und genutzt, um ihre Anliegen innovativ zu lösen. Dies geschieht unabhängig von ihren Fähigkeiten oder ihrer sozialen, ethnischen und religiösen Herkunft (vgl. Frehner/Pfulg/Weinand/Wiss: 3). Die Partizipationspyramide unterscheidet fünf Ebenen der Partizipation: Information – Mit-Sprache – Mit-Entscheidung – Mit-Beteiligung – Selbst-Verwaltung. Informationen zu sammeln, ob aktiv oder passiv, ist wie die Mit-Sprache nur Voraussetzung für echte Partizipation (unechte Form der Partizipation). Bei der Mitentscheidung werden erste Entscheidungen gefällt, meist in Form eines Kompromisses, und somit auch Verantwortung übernommen. Damit gehört diese Stufe, wie die Mitbeteiligung und Selbstverwaltung, welche sich autonom verwaltet, zu der echten Partizipation (vgl. ebd: 3).

Die PSA informiert K über die Möglichkeit, Projekte mit Unterstützung der Jugendarbeit zu planen und durchzusetzen und dabei selber zu entscheiden. Wie auch die Möglichkeit dem Partyteam beizutreten, um an jeder Party teilhaben zu können und Regeln mitzubestimmen. K zeigt kein Interesse an der Umsetzung eines solchen Projektes.

Empowerment
Empowerment möchte Klienten befähigen, ihr Leben nach Möglichkeit selbst zu gestalten, indem sie ihre Stärken und Ressourcen entdecken und nutzen. Empowerment bedeutet Stärkung der Autonomie und Eigenmacht.

Der Begriff Empowerment wird sehr offen gefasst. Für die Soziale Arbeit schlägt Herriger (1997) vor, ihn durch vier Zugänge zu präzisieren.  Empowerment politisch orientiert: “Empowerment hat […] zum Ziel, die Macht etwas gerechter zu verteilen – und das dort, wo es wichtig ist, nämlich im Hinblick auf Selbstbestimmung über das eigene Leben” (Berger/ Neuhaus 1977: 8 in Herriger 1997: 13) Beim Empowerment stehen jene Prozesse im Vordergrund, bei welchen Menschen Kontroll- und Bewältigungskompetenzen im Zusammenhang mit den gegebenen sozialen und politischen Rahmenbedingungen gewinnen. Die Menschen gewinnen durch das Teilnehmen am demokratischen Leben an Erfahrung von Kontrolle und Gestaltungskraft. (vgl. Wallerstein 1992: 198, in: ebd.) Empowerment lebensweltlich orientiert: Hier ist die (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung gemeint in Bezug auf das eigene Leben. (vgl. Herriger 1991: 222) Der Mensch gestaltet sein Leben auch unter erschwerten Bedingungen selbst. Empowerment reflexiv gedacht: Darunter wird ein Prozess der (Selbst-) Befreiung aus einer Position der Abhängigkeit gemeint. Der Mensch erkämpft sich dabei für sich selbst wie auch für andere mehr Selbstbestimmung. (vgl. Stark 1996: 14) Empowerment transitiv gedacht: Hier steht der PSA im Mittelpunkt. Er/ Sie gibt dem Klientel Hilfestellung zu mehr Selbstbestimmung und ermutigt sie zur Suche nach den eigenen Ressourcen.

Nach dem Empowerment Ansatz soll die Soziale Arbeit so gestaltet sein, dass sie dem Individuum ermöglich seine eigenen Ressourcen und Kompetenzen zu entdecken, diese zu erhalten und zu erweitern. Das Klientel soll das Leben selbst bestimmen können und selbst Lösungen für Probleme finden. Der/ die PSA hat dabei eine unterstützende und anregende Rolle und das Klientel soll eine aktive gestaltende Rolle einnehmen. In der Zusammenarbeit mit Klienten und Klientinnen kann dies für den Professionellen / die Professionelle bedeuten, Klienten und Klientinnen bei Prozessen zur Aneignung von Selbstgestaltungskräften zu begleiten und zu unterstützen, indem beispielsweise Ressourcen bereitgestellt werden können (vgl. Stotz 2009/2010: 3).

Die PSA versucht zu verstehen, was K gerne möchte und probiert gemeinsam mit K Wege zu finden, ihre Ideen und Bedürfnisse durchzusetzen. Zudem zeigt die PSA K auf, welche Ressourcen von Seite der Jugendarbeit vorhanden wären, um sie bei Projekten zu unterstützen. Nach kurzer Zeit zeigt K kein Interesse mehr am Gespräch.

 

5.3      Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?

  • Kinder und Jugendliche handeln oft impulsiv ohne vorher darüber nachzudenken.
  • Um ihren Willen durchzusetzen, suchen Jugendliche gerne die Konfrontation.
  • Oft versuchen Kinder und Jugendliche ihre Grenzen auszutesten. 
  • Kinder und Jugendliche wollen möglichst überall teilhaben, jedoch unter ihren eigenen Bedingungen.
  • Die Peergroup von K ist bei der offenen Jugendarbeit bekannt und zeigt sich in der Öffentlichkeit häufiger unangepasst.

 

5.4      Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?

Leitsätze
„Die Gemeinde will erreichen, dass Kinder und Jugendliche (…) Verantwortung für sich und ihr soziales Umfeld übernehmen und ihr Leben aktiv gestalten (…)“ (internes Strategiedokument der Gemeinde).

„Die Gemeinde fördert die Selbstorganisation aller Kinder und Jugendlichen, anerkennt grundsätzlich die durch die Kinder und Jugendlichen gewählten Ausdrucksformen (Jugendkulturen) und schützt ihre Teilhabe am öffentlichen Raum“(ebd.).

„Die Gemeinde (…) gewährleistet Kindern und Jugendlichen die höchstmögliche Partizipation am Gemeinwesen. Sie sorgt für entsprechende Lebens- und Entfaltungsräume für Kinder und Jugendliche“(ebd.).

„Die Gemeinde fördert die Begegnung und Kommunikation (…). Diese Kommunikation soll durch gegenseitige Wertschätzung, Akzeptanz und Toleranz geprägt sein“(ebd.).

 

Gemeinde
Die Gemeinde möchte für alle Einwohner eine attraktive und beheimatende Wohngemeinde sein und ein aktives, gesundes Leben fördern. Die Gemeinde betreibt aktive Gesellschaftspolitik in Alter, Kindheit, Jugend, Familie, MigrantInnen, Freizeit und Sport und orientiert sich dabei an Partizipation, Integration, Sicherheit, Gesundheit sowie aktiver Freizeitgestaltung. Die Jugendpolitik also auch die Jugendarbeit unterliegt der Gemeinde.

Vorgeschichte K
Die Peergroup von K ist im Team der Schulsozialarbeit und der Polizei bereits bekannt. Sie ist in der Schule und in der Freizeit öfters negativ aufgefallen. Die Gruppe sucht regelmässig nach Aufmerksamkeit, vor allem bei erwachsenen Personen.

 

5.5      Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?

  • Die PSA reagierte geduldig und verständnisvoll auf die Jugendlichen, auch über einen längeren Zeitraum.
  • Die PSA überlegt sich für zukünftige, ähnliche Situationen Handlungsalternativen.
  • Die PSA ging offen und mit Humor auf die Argumentation mit K ein.
  • Die PSA blieb auch in stressigen Momenten ruhig und gelassen.
  • Die PSA konnte die Entschuldigung annehmen und innerlich gut mit dem Vorfall abschliessen.
  • Die PSA war sich dem Machtgefälle bewusst und hat dieses nicht ausgenutzt.
  • Die PSA suchte nach unterschiedlichen Möglichkeiten der Kompromissfindung.

 

5.6      Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?

Ressourcen der Kinder- und Jugendpolitik
Bei den Jugendpartys dieser Jugendarbeit werden jeweils zwei Mitarbeitende eingesetzt, um die Jugendlichen und das Partyteam zu betreuen und zu unterstützen. Im Jahr stehen für die Vorbereitung und Ausführung der Partys im Gesamten 110 Stunden zur Verfügung.

Räume
Verschiedene Räumlichkeiten stehen der offenen Jugendarbeit zur Verfügung:  Das Haus der Jugendpolitik mit Büroräumen, einer Anlaufstelle, Sitzungsräumen, etc.  Verschiedene Jugendräume und Veranstaltungsräume wie auch Bandräume, eine Skateranlage und einen Container.

Der Club, welcher für die Party der ersten Sekundarstufe genutzt wurde, gehört zu einer der Räume, welche die offene Jugendarbeit nach Absprache gebrauchen kann.

Zeitressourcen
Die Zeit an einem Anlass wird entsprechend der Notwendigkeit und des gesunden Menschenverstandes für die Jugendlichen (Einzelne oder in Gruppen) aufgewendet. Jedoch sollte bei einem Anlass die Möglichkeit bestehen mit unterschiedlichen Jugendlichen Zeit zu verbringen, um einen Beziehungsaufbau zu mehreren Personen gewährleisten zu können.

An der Party der ersten Sekundarstufe hatte die PSA kaum Zeit für die eingeladenen Gäste und das Partyteam, da sie am Eingang mithelfen musste und in viele Diskussionen mit den Schülern der zweiten Sekundarstufe eingebunden wurde. Der Beziehungsaufbau mit den Gästen und dem Partyteam wurde vernachlässigt, jedoch konnte die PSA K besser kennenlernen. Während des Konfliktes mit K, fühlte sich die PSA vermehrt gestresst, da sie den anderen Gästen und dem Partyteam nicht  gerecht werden konnte.

 

5.7      Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?

Humanistisches Menschenbild
Jeder Mensch ist aktiver Gestalter seiner Existenz und besitzt Ressourcen, um sich selbst zu verwirklichen. Das Menschenbild geht davon aus, dass Probleme entstehen, weil Menschen nur einen kleinen Teil ihrer Ressourcen nutzen können oder wollen. Zu den Ressourcen gehören unter anderem Fähigkeiten, Kenntnisse, Interessen, Motive, Hoffnungen, etc (vgl. Elke, 2007: 19).

Berufskodex

  • 5.2. Soziale Arbeit hat Menschen zu begleiten, zu betreuen oder zu schützen und ihre Entwicklung zu fördern, zu sichern oder zu stabilisieren (vgl. AvenirSocial 2010: 6).
  • 4.2. Voraussetzungen für das erfüllte Menschsein sind die gegenseitig respektierende Anerkennung des oder der Anderen, die ausgleichend gerechte Kooperation der Menschen untereinander und gerechte Sozialstruktur (vgl. AvenirSocial 2010: 6).

Konzept Institution
„Integration: Jugendliche haben Zugang zu den Angeboten der Jugendarbeit unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Kultur- oder Schichtzugehörigkeit, ihrer politischen oder religiösen Haltung. Es werden Prozesse des Einschlusses (Inklusion) unter den Jugendlichen und zwischen Jugendlichen und Gesellschaft gefördert; Prozesse des Ausschlusses werden gemindert. Partizipation trägt viel zu Integration bei“ (internes Strategiedokument der Gemeinde). Die Party wurde vom Partyteam geplant, wodurch das Zielpublikum für die Party geklärt wurde. Da die zweite Sekundarstufe bei der Party der ersten Sekundarstufe ausgeschlossen wurde, hat die PSA versucht ihnen Möglichkeiten zu bieten selbst einen solchen Anlass zu planen und durchzuführen. Dadurch haben auch sie die Chance, sich bei einem solchen Anlass zu integrieren.

Vorbereitung
Für den Anlass wäre es nützlich gewesen, mindestens eine weitere erwachsene Person mit einzubeziehen, welche die Situation am Eingangsbereich hätte entlasten können. Dadurch hätte die PSA mehr Zeit gehabt, um besser auf einzelne Jugendliche und K einzugehen. Aufgrund vorheriger Erfahrungen der Institution mit Jugendpartys hätte mit einer solchen Situation gerechnet werden können.  Bei einem weiteren vergleichbaren Anlass müsste diese Erfahrung bei der Vorbereitung frühzeitig beachtet werden, um genügend Ressourcen (Personal) einzurechnen und diese früh genug zu organisieren. Dadurch könnte die PSA entlastet werden und sich vermehrt dem Austausch (Beziehungsaufbau) mit den Jugendlichen widmen.

Autonomie / Empowerment
Die PSA hat durch ihr Verhalten versucht, der Klientin ihr Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zu nehmen. Denn die PSA wollte K darin bestärken, sich an einem Projekt zu beteiligen und dort ihre persönlichen Ressourcen einzubringen. K war in dieser Situation aber nicht fähig diese Worte aufzunehmen. K wollte an diesem Abend nur auf die Party und nicht diskutieren, welche Möglichkeiten sie ansonsten hätte.  Die PSA befand sich somit in einem Spannungsfeld zwischen Empowerment und die Regel durchsetzen. Als die PSA bemerkte, dass mit K zurzeit keine Verhandlung möglich ist, hätte sie diese abbrechen und an Stelle einer Verhandlung klar die Regel durchsetzen sollen. Für  K war in der Situation kein unmittelbarer Gewinn sichtbar. Aus diesem Grund konnte sich K nicht auf die Verhandlung einlassen.

Rolle / Nähe & Distanz
Die PSA war sich ihrer Rolle zu Beginn der Situation bewusst. Die PSA trägt die Verantwortung für die Party und sie soll die Regeln durchsetzen, damit die erste Sekundarstufe eine gelingende Party feiern kann. Als K immer wieder neue Ideen entwickelt, um auf die Party zu kommen und die PSA immer wieder in die Verhandlung mit K gehen muss, verliert die PSA an Sicherheit über ihre Rolle. Dies wird bemerkbar, als sie sich fragt, wie viel Körperkontakt ist angemessen, wenn das mündliche Verhandeln nicht mehr ausreicht? Und wie nimmt der Chef die Situation wahr? Damit die PSA die Sicherheit nicht verliert, sollte sie sich im Vorfeld überlegen, welche Rolle sie hat, und wie sie diese konkret gegen aussen vertreten kann. Dazu gehört auch die Frage nach Nähe und Distanz zu klären. Wenn sich die PSA über ihre Rolle klar ist, ist es einfacher für sie das Austesten der Grenzen von K ohne Stress anzugehen.  Die Klientin hat die PSA in ihrer Rolle dennoch stets ernst genommen. Das ist daran zu erkennen, dass sie sich bei Beendigung der Party bei der PSA entschuldigt für ihr Verhalten.

Altersgerecht nach Entwicklungsstufe
In der Situation ist sich die PSA sehr bewusst, was für Merkmale diese Entwicklungsstufe mitbringt. Sie geht deshalb auf eine humorvolle Art damit um. Die PSA ist sich im Klaren darüber, dass K diese Grenze unbedingt austesten möchte und ihr Verhalten deshalb auch nicht differenziert erklären kann. Die PSA bringt auch Verständnis dafür auf, dass K sich ausgeschlossen fühlt und gerne an der Party teilgenommen hätte.  Da K mit ihren Handlungsmöglichkeiten experimentierte, wäre es wichtig gewesen eine klare Grenze zu ziehen. Aufgrund des grossen Ansturmes und dem Mangel an Personal war dies jedoch schlichtweg nicht möglich, da die PSA schon so alle Hände voll zu tun hatte.

Menschenbild
Die PSA versucht während der Verhandlung auf die Bedürfnisse und die Ressourcen von K einzugehen. Sie bemerkt, dass K unzufrieden ist, weil sie nicht an der Party teilnehmen kann und zeigt ihr zukünftige Möglichkeiten auf. Da K nicht auf die Alternativen eingeht, ist es für PSA schwierig, K ihre Ressourcen aufzuzeigen. Die PSA könnte jedoch in einer ähnlichen Situation noch deutlicher darauf eingehen, dass K ihre Möglichkeiten nicht ausgenutzt hat und es deshalb zu dieser Situation gekommen ist.

Gewaltfreie Kommunikation
Die PSA achtete während des Gesprächs mit K bewusst darauf, K die Möglichkeit zu geben, ihre Interessen und Bedürfnisse zu äussern und diese zu verstehen. Die Bedürfnisse und Wünsche der PSA wurden bei dem Gespräch vernachlässigt. Bei einer gemeinsamen Lösungsfindung müssten beide Seiten die Chance haben sich mitzuteilen.  Bei einer weiteren vergleichbaren Situation sollte die PSA die Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation gezielter einsetzten. Die PSA muss sich bewusst mit den eigenen Gefühlen, Wünschen und Anliegen auseinandersetzten, um diese gegenüber den Jugendlichen ausdrücken zu können. Denn durch die Auseinandersetzung und Veröffentlichung der eigenen Bedürfnisse und Gefühle, übernimmt die PSA zudem eine Vorbildfunktion.

Partizipation
Die PSA versuchte K und deren Peergroup gezielt für weitere Projekte mit einzubeziehen, indem sie die Jugendlichen über deren Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit der lokalen Jugendarbeit informiert. Während der Party zeigt sich dies als schwierig, die Jugendlichen zeigen kein Interesse an einem Gespräch oder einer gemeinsamen Lösungsfindung. Ihr Fokus in der Situation liegt auf der Teilnahme an der Party.  Die PSA muss im Voraus, vorallem in ruhigeren Situationen, vermehrt auf die Jugendlichen zugehen und diese im Gespräch über die Angebote der offenen Jugendarbeit informieren, um diese schon in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen zu können.

  • AvenirSocial (2010). Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz. Ein Argumentarium für die Praxis der Professionellen. Bern: Professionelle Soziale Arbeit Schweiz.
  • BA03 (2011): Die emotionale und soziale Entwicklung in der Adoleszenz
  • Berk, Laura (2005). Entwicklungspsychologie. München: Pearson Studium. 
  • Erik, Elke (2007). Der Lösungsorientierte Ansatz im sozialpädagogischen Kontext. Diplomar-beit. FHNW
  • Frehner, Peter/Pfulg, David/Weinand, Christiane/Wiss, Georgio (2004). Wissensbox. Arles-heim: Verein funtasyprojects.
  • Götz, Erika (2012). BA10 Grundlagen der professionellen Kooperation. Begleitmanuskript Kommunikation. Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg. Fachhochschule für Soziale Arbeit FHNW.
  • Herriger, N. (1991) Empowerment. Annäherungen an ein neues Fortschrittsprogramm der sozialen Arbeit. Neue Praxis, 4, S. 221-229
  • Herriger, N. (1997). Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Stuttgart: Kohl-hammer-Verlag
  • Hochuli Freund, Ursula/Stotz, Walter (2009/2010). BA12 Soziale Auffälligkeit. Der Lösungs-orientierte Ansatz als Handlungsansatz bei sozialer Auffälligkeit. Fachhochschule für Soziale Arbeit FHNW.
  • Stark, Wolfgang (1996) Empowerment. Neue Handlungskompetenzen in der psychosozialen Praxis. Freiburg: Lambertus.
  • Stotz, Walter (2009/20010). BA12 Soziale Auffälligkeit. Das Konzept Empowerment in der Sozialen Arbeit. Fachhochschule für Soziale Arbeit FHNW.

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