5.1 Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?
Operante/instrumentelle Konditionierung: Die Lerntheorie basierend auf Thorndike und Skinner geht davon aus, dass die Konsequenzen, die auf eine bestimmte Verhaltensweise folgen, über dessen zukünftiges Auftreten entscheiden. Erfolgreiches Verhalten wird demzufolge in ähnlichen Situationen wieder angewendet. Nicht erfolgreiches Verhalten kommt nicht mehr, oder weniger häufig wieder zum Vorschein. Verstärker in Skinners Sinn sind alle Reize oder Umweltreaktionen, welche ein bestimmtes Verhalten ändern können, sofern sie gleichzeitig mit der jeweiligen Situation auftreten. Skinner unterscheidet zwischen positiver bzw. negativer Verstärkung, sowie Bestrafung bzw. Löschung.
Auf die Situation übertragen ist es möglich, dass die Klientin das Muster des Davonlaufens in der Vergangenheit so erlernt hat. Sie ist bereits mehrmals aus Heimweh nach Hause zu ihrem Vater gelaufen, welcher sich jeweils um sie kümmerte und sie später wieder ins Heim zurückbrachte. Aus der Sicht der operanten Konditionierung kann der Besuch beim Vater und die Zeit, die sie bei ihm/mit ihm jeweils verbringen durfte als Belohnung angesehen werden, welche ihr Verhalten (das Davonlaufen) verstärkte. Um dieses Verhalten in eine andere Richtung beeinflussen zu können ist es wichtig, dass die Zeit beim Vater in einer solchen Situation so kurz wie möglich ausfällt. Zudem ist es wichtig den Vater ins Heim einzuladen, wenn es gut läuft, wenn die Klientin da bleibt und sie so Zeit mit ihm verbringen kann. Zudem ist es sicher wichtig für die Klientin mit ihrem Vater telefonieren zu können, wenn er nicht kommen kann, so dass sie auch ohne Davonlaufen die Aufmerksamkeit ihres Vaters erhält. Ein weiterer Punkt in welchem bei der Klientin eine Konditionierung gesehen werden kann, ist dass sie die Reaktionen des Vaters auf ihr Verhalten exakt kennt. Ihr Vater möchte ihr helfen, für sie da sein. Die Klientin spürt, dass sie deshalb oft erhält was sie möchte. Sie hat gelernt, dass sie ihren Vater unter Druck setzen kann und dass er darauf reagiert und sie das erhält was sie gerne möchte. In vorliegendem Fall kann es sein, dass ihr Weinen und sich an den Vater klammern, wie auch ihre Aussagen, dass es ihr schlecht geht, ihre Möglichkeit darstellt den Vater unter Druck zu setzen und möglichst das zu Erreichen was sie möchte. Hier ist es wichtig, dass sie dieses Ziel nicht erreicht. Es ist hier nötig, den Vater in seiner Meinung zu stärken, damit die Belohnung ihres Verhaltens (Druck aufsetzen) nicht kommt. Dies nicht nur in solch schwierigen Situationen, sondern auch bei banaleren Sachen. Die Klientin muss lernen, dass ein ‚nein‘ auch wirklich ein ‚nein‘ ist und nicht schnell zu einem ‚ja‘ gedreht werden kann. (Mazur S. 2004; 184ff)
Systemökologisches Entwicklungskonzept: Für Bronfenbrenner entwickelt sich der Mensch in engem Kontext zu seiner Umwelt. Die Umwelt ist, laut ihm, ein Satz ineinander geschachtelter Strukturen, die er als Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystem bezeichnet. Zwischen den Personen bestehen Wechselwirkungen. Im vorliegenden Fall darf die Beeinflussung der Klientin durch ihr Exosystem nicht vernachlässigt werden. Dass ihr Vater strikte gegen den Aufenthalt im Sonderschulheim ist hat auf die Klientin einen Einfluss, obschon der Vater in der Situation unterstützend für den Heimaufenthalt wirkt. Die Klientin kennt jedoch seine Meinung und bildet sich ihre Meinung auf Grund seiner Meinung.
Ein Mensch entwickelt sich in ökologischen Übergängen, wobei es wichtig ist, dass diese gut gelingen. Die Klientin steckt zurzeit mitten in einem Übergang, wo sie sich einen neuen Lebensbereich, mit neuen Rollen aneignen muss. Auf die vorliegende Situation übertragen, hilft die Theorie Bronfenbrenners die Tragweite der Veränderung für die Klientin nachzuvollziehen. Der Eintritt ins neue Heim ist für die Klientin ein schwieriger Übergang, der viel Unsicherheit mit sich bringt, neue Rollen beinhaltet und der viele Veränderungen im Mikrosystem mit sich bringt. Sie muss sich in diesem neuen Mikrosystem einleben und einfinden. Dies ist eine grosse Herausforderung, die auch Angst machen kann. Sich neue Rollen aneignen, neue Freunde finden, neue Beziehungen aufbauen ist ein aufwendiger Schritt, welcher mit der richtigen Motivation besser gelingt. Dieser muss entsprechend von den PSA begleitet werden. (Flammer A. 2004; 203ff)
John Bowlbys Bindungstheorie ist der Auffassung, dass frühkindliche Erlebnisse ein Schlüssel zur Erklärung der gesamten weiteren Entwicklung eines Menschen sind. Mit der Bindungstheorie erläutert Bowlby wie durch allgemeine Trennungs- und Verlusterfahrungen Emotionen wie Angst, Wut, Depression etc. entstehen können. Die frühkindlichen Bindungen wie zum Beispiel jene zu den Eltern, werden gewöhnlich durch weitere Bindungen ergänzt und in nur sehr seltenen Fällen ersetzt. Intensivste Emotionen stehen in Zusammenhang mit unseren Bindungsbeziehungen. Gefühle der Freude werden durch die Erneuerung einer Bindung ausgelöst. Gefühle der Sicherheit begleiten eine aufrecht erhaltene Bindung. Wut, Angst und Kummer gehören zum drohenden oder tatsächlichen Verlust einer Bindung. Je mehr Erlebnisse mit einer Person geteilt werden, desto tiefer wird die Bindung an diese Person – diejenige Person, die sich hauptsächlich um die Bedürfnisse des Kindes kümmert, wird zur Hauptbindungsfigur werden. In der Regeln die Mutter. Das Kind kehrt zur Mutter oder zu anderen Bindungsfiguren zurück, wenn es müde wird oder Angst hat. Der Kontakt zur Bindungsfigur wird aber die ganze Zeit auf je verschiedene Arten aufrechterhalten und bei Entfernung dieser Person werden spezifische Muster angewendet.
Das Verhalten der Eltern hängt stark davon ab, ob sie das Bedürfnis des Kindes nach einer sicheren Basis anerkennen, respektieren und ihr Handeln danach richten. Eine der häufigsten Ursachen kindlicher Wut-, Angst- und Frustgefühle ist die Enttäuschung des kindlichen Wunsches nach Sicherheit und unerschütterlicher Liebe der Eltern. Für Kinder ist es schwierig ein sicheres Bindungsverhalten zu entwickeln, wenn es häufige oder lange Unterbrechungen in der Eltern-Kind- Beziehung gibt. Die Folgen können eine Angstbindung sein, wo beim Kind eine ständige Angst ausgelöst wird, ihre Bindungsfigur zu verlieren. Wenn das Verhalten der Klientin in der vorliegenden Situation nach der Bindungstheorie von Bowlby beurteilt wird, kann ihr Klammern an den Vater ein Ausdruck einer Angstbindung sein, die auf Grund einer unsicheren Bindung in der Kindheit auftaucht. Bekannt ist, dass die Mutter sehr wenig Zeit für ihr Kind hatte und immer noch kaum Zeit hat und dass das Mädchen vor ihren Heimeintritten bei der Mutter lebte. Sie musste als Kleinkind die Trennung ihrer Eltern hinnehmen, was durchaus eine unsichere Bindung nach sich ziehen konnte. Bei Angst und Müdigkeit will das Kind zu seinen primären Bezugspersonen. Dies zeigt sich durch das Davonlaufen der Klientin. Sich erneut auf neue Beziehungen einlassen und der Verlust der alten löst bei ihr Angst vor der Zukunft, Angst vor dem Neuen aus. Da im Sonderschulheim keine ihr bekannten Personen anwesend waren, könnte eine Angst alleine gelassen zu werden ihr Davonlaufen provoziert haben. Nun soll sie bei einer Person, die sie kaum kennt bleiben, dies löst erneut die Angst aus, dass sie alleine gelassen wird. Hier ist es wichtig ihr zu zeigen, dass jemand für sie da ist, dass sie nicht alleine ist. Die Verzweiflung des alleine gelassen sein kann Wut und Gegenwehr auslösen. (Müller 2004 / Wikipedia Bindungstheorie 2014)
Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus sieht Stresssituationen als komplexe Wechselwirkungsprozesse zwischen den Anforderungen der Situation und der handelnden Person. Hierbei ist die subjektive Bewertung durch den Betroffenen von Bedeutung. Situationen können nach Lazarus als positiv, irrelevant oder potenziell gefährlich (stressend) bewertet werden, als Herausforderung, als Bedrohung oder als Schädigung/Verlust. Der Umgang mit dem Stress wird als Coping bezeichnet was sich in verschiedenen Verhaltensweisen äussern kann (Aggression, Flucht, Verhaltensalternativen, Verleugnung der Situation). Mit der Zeit lernt die betroffene Person über Rückmeldungen mögliche Bewältigungsstrategien selektiv einzusetzen. Lazarus unterscheidet drei Arten von Stressbewältigung (Coping). Problemorientiertes Coping: K versucht durch Informationssuche, direkte Handlungen oder auch durch Unterlassen von Handlungen Problemsituationen zu überwinden oder sich den Gegebenheiten anzupassen. Emotionsorientiertes Coping: Es wird in erster Linie versucht, die durch die Situation entstandene emotionale Erregung abzubauen. Bewertungsorientiertes Coping: Die Stresssituation wird neu bewertet. Das Ziel ist es eine Belastung eher als Herausforderung zu sehen.
Angewendet auf die Situation der Klientin wird deutlich, dass sie sich in einer Stresssituation befindet. Stress kann zudem viele Symptome hervorrufen, wie z.B. dass kein klarer Gedanke mehr gefasst werden kann. In der Stresssituation fühlt sich die Klientin hilflos, fremdbestimmt, verzweifelt, was sie noch viel stärker in die Stressspirale kommen lässt. Sie kann erst wieder aus der Stressspirale aussteigen als sie gehalten wird. Mit dem ihr gewährten körperlichen Schutz, kann sie neue Gedanken zulassen und zur Ruhe kommen. Die Klientin konnte mir im Nachhinein sagen, dass sie sich so nicht kennt und dass es ihr schrecklich Leid tut. Ihre emotionale Erregung war in dieser Situation so hoch, dass sie sich nur noch wehren konnte und es keine Möglichkeit gegeben hat sie abzulenken oder ihr zu helfen (Wikipedia Stressmodell von Lazarus 2014)
5.2 Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?
Haim Omer: Das Konzept der elterlichen Präsenz setzt auf der Seite der Eltern an. Wertschätzung für beide Konfliktparteien ist jedoch die unverzichtbare Grundlage. Es geht darum, Eltern zu elterlicher Autorität ohne Gewalt zu verhelfen. Erniedrigung des Kindes soll dabei vermieden werden. Elterliche Präsenz setzt auf mindestens vier Ebenen an: in der räumlichen Dimension (ich bin anwesend), in der zeitlichen Dimension (ich nehme mir Zeit für dich), in der strukturellen Ebene (ich bringe meine Regeln als Vater/Mutter zur Geltung), auf der Beziehungsebene (ich kontrolliere und beaufsichtige mein Kind in den Bereichen in denen es notwendig ist). Verzichtet wird auf Belehrungen, Beschimpfungen, Beleidigungen, aber auch der Verzicht auf das Überzeugen wollen. Die Aktionen sind geplant und vorbereitet und werden nicht alleine durchgeführt. Es geht darum die Präsenz als Eltern deutlich zu machen.
Die Haltung des Konzeptes der elterlichen Präsenz lässt sich gut auf solche Situationen anwenden, wie die vorliegende. Wichtig ist die hundertprozentige Anwesenheit und Präsenz, welche dem Kind zeigt, ich bin da für dich, du bist mir wichtig, ich mache mir Sorgen um dich, ich will dich schützen. Das Halten des Mädchens ist sowohl im Moment als der Vater das Haus verliess als auch später im Zimmer sicher nicht nach dem Konzept der elterlichen Präsenz, da dort das Kind immer einen Ausweg haben soll. Das kurze Halten beim Abschied unterstrich die Meinung des Vaters und der PSA, dass die Klientin nun da bleiben muss. Hier könnten für die Zukunft andere Möglichkeiten gesucht werden. Das Halten im Zimmer zeigte dem Mädchen deutlich, trotz seiner emotionalen Erregung, da ist jemand, der hält mich, der hält zu mir. In dieser Situation erscheint das Halten als gute Möglichkeit die Worte zu verstärken und für die Klientin in diesem Moment ‚hörbar‘ zu machen. Dass die Klientin der PSA im Nachhinein vertraut und ihre Nähe sucht ist verständlich, da sie diese Person als präsent und engagiert für sie erlebt hat. Das anwesend/da sein für das Kind gibt ihm grosse Sicherheit gerade auch für spätere Erlebnisse oder Stresssituationen. Da jedoch die PSA nicht immer dieselbe ist, ist es von grosser Wichtigkeit, dass auch die anderen Mitarbeitenden ihre Präsenz zeigen und eine Beziehung zum Kind aufbauen (Omer 2010)
Wenn wir auf das operante Konditionieren zurück schauen, ist es von grosser Wichtigkeit, das die Klientin ihr Verhalten nicht mehr als lohnend erlebt und dieses so verändern kann, dass sich das Hierbleiben lohnt. Somit war es richtig, dass die Klientin mit allen Mitteln auf der Wohngruppe gehalten wurde. Allenfalls gäbe es im Wissen um die Möglichkeit des Davonlaufens und dass sie ihren Vater unter Druck setzt andere Möglichkeiten das Hierbleiben attraktiv zu gestalten, indem z.B. der Vater zu Besuch kommt, wenn alles gut klappt. Die Handlungen der Professionellen der Sozialen Arbeit sollten darauf abzielen einen neuen Umgang zu lernen mit Heimweh.
* Virginia Satir bezeichnet das kongruente Kommunikationsmuster als Idealfall. Dies ist das Muster, welches in der Arbeit mit der Klientel angewendet werden sollte. Es soll eine gesunde Konfrontation oder die Lösung eines Konfliktes möglich werden. Die Worte müssen genau das widerspiegeln, was du fühlst, dass dein Körper und dein Gesichtsausdruck deinen Worten entsprechen und dass dein Verhalten mit all dem übereinstimmt. Kongruentes Verhalten ist klar, offen und bewusst. Die Person drückt sich verständlich und direkt aus und benennt Abstraktes konkret und eindeutig.
In Hinblick auf die Kommunikation in der vorliegenden Situation sind genau diese Punkte von grosser Bedeutung. Durch das ruhige sprechen mit der Klientin vermittelt die Professionelle der Sozialen Arbeit Ruhe und Gelassenheit. In der Situation nützte jedoch auch das kongruente Verhalten wenig, da die Klientin nicht ansprechbar war. Die kongruente Haltung und Handlung konnte sie jedoch sehr wohl beeinflussen. Durch das Halten beim Abschied wurde ihr deutlich gemacht, dass sie bleiben muss. Durch das Halten im Zimmer spürte sie, dass sie hier gewollt ist, dass jemand zu ihr hält. (Wikipedia Virginia Satir 2014)
5.3 Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?
Für Kinder und Jugendliche ist das Fuss fassen in einer derart grossen Institution wie die vorliegende schwierig und es braucht die Bereitschaft sich darauf einzulassen. Die Klientin musste innerhalb von zwei Jahren bereits in der dritten Institution Fuss fassen, sich einlassen, neue Personen kennen lernen und neue Beziehungen knüpfen. Dies ist eine riesige Herausforderung, die Ängste auslösen kann und die viel Energie und Offenheit der Klientin benötigt.
Wie bereits in anderen Situationen erlebt, wo Kinder und Jugendliche nach Hause gelaufen sind, ist es wichtig, dass diese so bald wie möglich wieder zurückkommen. Es besteht die Gefahr, dass sie das nach Hause laufen als Belohnung erleben und es nach einem ersten Mal immer wieder machen. Somit ist es wichtig, das Davonlaufen als so wenig lohnend wie möglich zu gestalten und andere Verhaltensweisen bei Stress lohnender zu machen.
Wenn Kinder und Jugendliche sich derart in eine Haltung/eine Idee hineinsteigern, kann es sein, dass sie nicht mehr klar denken können und dass sie keinen anderen Gedanken mehr denken können, ausser dem gerade vorherrschenden. In dieser Situation war es für die Klientin unmöglich einen anderen Gedanken zu fassen als, dass sie nun einfach nach Hause gehen möchte.
Eltern, die nicht voll hinter der Heimunterbringung stehen, wie in diesem Fall der Vater, bringen die Kinder und Jugendlichen in einen Konflikt und es wird für sie viel schwieriger einzusteigen und sich auf das Leben im Internat einzulassen.
Das Zurückkommen und die erneute Konfrontation mit den restlichen Kindern und Jugendlichen der Gruppe ist eine Herausforderung, die gute Begleitung bedarf. Je nach Gruppenkonstellation ist dies einfacher oder schwieriger und ist meist mit Herabsetzung verbunden. Weil die Klientin die anderen Kinder und Jugendlichen noch wenig kennt, ist es für sie eine grosse Herausforderung.
Für viele Eltern ist das ‚auf Wiedersehen‘ sagen genauso schwierig, wenn nicht sogar schwieriger als für die Kinder selbst. Ein kurzer Abschied erleichtert den Abschied und schwächt das Heimweh ab. Wichtig ist, dass jemand von den Professionellen der Sozialen Arbeit anwesend ist und das Kind in den Alltag der Institution begleiten kann.
Die Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen ist ein wichtiges Arbeitsinstrument der Professionellen der Sozialen Arbeit. Eine gute stabile Beziehung kann viele Probleme vermeiden, abschwächen und besser, vertrauensvoller auffangen.
5.4 Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?
Die Klientin wechselte innerhalb von zwei Jahren das dritte Mal die Institution.
Im Falle des Mädchens besteht ein Obhutsentzug. Die KESB verfügt als Aufenthaltsort das Sonderschulheim. Die Mutter ist damit einverstanden, der Vater ist dagegen und geht gerichtlich gegen den Entscheid vor.
Die Klientin ist erst seit einer Woche im Sonderschulheim.
Die Klientin ist bereits in den vorangehenden Institutionen mehrmals davongelaufen. Teilweise lief sie nach Hause zu ihrem Vater, teilweise in ein abgemachtes Versteck, wo sie sich beruhigen konnte.
5.5 Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?
Die Situation erfordert viel Ruhe von der PSA.
Dem Kind Sicherheit und Geborgenheit vermitteln können.
Empathie und Einfühlungsvermögen zeigen.
Sich 100% auf die Situation, das Kind und den Vater konzentrieren können.
Dran bleiben, standhaft sein. Mitfühlen ohne Mitschwingen.
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
Ich arbeite bereits seit zehn Jahren im Internat, bin ausgebildete Sozialpädagogin und traue mir selbst die Bewältigung einer solchen Situation zu.
Wenn ich alleine nicht mehr zurechtkomme, habe ich die Möglichkeit Hilfe zu holen. Dieses Wissen gibt Sicherheit.
Dadurch, dass wir in den meisten Fällen zu zweit arbeiten, ist es möglich sich in einer solchen Situation zu 100% einem einzelnen Kind zu widmen.
Der Vater brachte die Klientin zum Zeitpunkt zurück, als die anderen Kinder und Jugendlichen auf die Gruppe zurückkehrten. Dies hatte zur Folge, dass es lebendiger und weniger ruhig war auf der Gruppe.
Ich will und darf kein Kind alleine in ein Zimmer sperren. Die Fenster und Türen sind jedoch abschliessbar.
5.7 Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
Ein für mich als PSA sehr wichtiger Wert, welcher jedoch in dieser Situation nicht zum Tragen kam, ist die Berücksichtigung der Meinung der Kinder und Jugendlichen. Sie sollen ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können wo möglich. In dieser Situation konnte dieser Wert nur sehr bedingt zum Tragen kommen. Erst in der Beruhigungsphase konnte die Professionelle der Sozialen Arbeit auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes eingehen.
Schutz der anvertrauten Kinder und Jugendlichen. Ich habe den Auftrag die Kinder und Jugendlichen zu schützen und sie bestmöglich in ihrer Entwicklung zu unterstützen.
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