5.1 Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?
Nach Kurt Lewins (1890-1947) Feldtheorie bezeichnet Gruppendynamik die Erforschung oder Analyse der Vorgänge/Prozesse innerhalb von Gruppen. Diese Muster sind stets subjektiv gefärbt und werden entweder durch anziehende (z.B. Gemeinsamkeiten, gleiche Sichtweisen, gleiche Motivation) oder abstoßende Kräfte (z.B. Differenzierung, Spannungen) beeinflusst bzw. entsteht die Dynamik durch diese individuell erlebten und durch Verhalten bestimmenden Kräfte und Gegenkräfte (vgl. König, Schattenhofer 2012 und Wellhöfer 2012). Für die Gruppenentwicklung ist es nach König und Schattenhofer (vgl. König und Schattenhofer 2012, S.58-59) wichtig, dass Integration und Differenzierung gleichermaßen stark möglich werden und Gruppen, die sich nur in Richtung Harmonie und Gemeinsamkeiten entwickeln, der Stillstand droht. Die Gruppe in der Schlüsselsituation hat bisher keine wirklichen Störungen, Konflikte oder Differenzierungen durchlebt und scheint auch hier eher anziehenden Kräften nach Gemeinsamkeit zu folgen, indem nach kürzester Zeit alle Kleingruppen die Erfüllung des Arbeitsauftrages gleich gestalten (abstruse Charakterzuschreibungen, Zitronen Namen geben etc.). Dieses anpassende Verhalten lässt sich zum einen auch mit dem Begriff des „informationalen Einflusses“ nach Deutsch und Gerard (zit. in: Stürmer und Siem, 2013, S.24 f.) beschreiben. Demnach orientiert sich der Mensch in Situationen, in denen er unsicher bezüglich eines Sachverhaltes ist, an den Einschätzungen der anderen Personen und akzeptiert diese als soziale Realität. Zum Anderen beschreibt der normative Einfluss das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit. In Folge dieser beiden Einflüsse entsteht der Konformitäts- oder Gruppendruck nach Sherif (1936) und Asch (1956), durch den individuelle Ansichten und Verhaltensweisen denen der Mehrheit angepasst werden (vgl. Stürmer und Siem 2013, S.24), was sich auch in dieser Schlüsselsituation beobachten lässt. Hier gilt es allerdings zwischen Nachahmung und Konformitätsdruck zu unterscheiden. Nachahmung bedeutet, jemand folgt dem Beispiel anderer ohne sich innerlich auseinanderzusetzen und zu distanzieren. Konformität hingegen beschreibt Handeln im Sinne der Gruppenmeinung trotz innerer Distanzierung (zit. Brown 1986 in Sader 91). Ob die Gruppe in dieser Situation nun aus Konformitäts- bzw. Gruppendruck oder nachahmend handelt oder ob sie anziehenden Kräften folgt, lässt sich schwer fassen.
Der Gruppenprozess, das komplexe, dynamische Gruppengeschehen, durchläuft nach Sherif (1906-1988) verschiedene Entwicklungsstufen und ist dabei niemals geradlinig und starr, sondern verläuft individuell. Zudem kann er durch bestimmte Variabeln wie Bedingungen, Vorerwartungen und Kontext beeinflusst werden (vgl. Sader 1991). Um die Entwicklungen im Gruppenprozess leichter erfassen und einordnen zu können, ist eine Orientierung an verschiedenen Phasen hilfreich (vgl. Wellhöfer 2012). Nach dem Phasenmodell nach Bernstein und Lowy 1969 und Tuckman 1965, befindet sich die Kleingruppe dieser Schlüsselsituation in einer Art Übergang vom „Performing“ (Arbeits- und Festigungsphase) zum „Re-Forming“ (Trennungs- und Orientierungsphase). Das „Performing“ beschreibt die Phase, in der die Gruppe gefestigt ist, sich stark fühlt, der Zusammenhalt wächst und gemeinsam intensiv auf das Ziel hingearbeitet wird. Dabei steht die Selbstständigkeit der Gruppe im Vordergrund. In der „Re-Forming-Phase“ bereitet sich die Gruppe entweder auf ihren Abschied vor, weil sie ihr Ziel (beinahe) erreicht hat bzw. die Lernphase beendet oder sie trennt sich Kontext bedingt (Ablaufen der gemeinsamen Zeit). Hier distanzieren sich die Mitglieder also entweder langsam wieder voneinander oder beginnen sich mit neuen Zielen für eine weitere Lernphase neu zu formieren (vgl. Stahl 2007 und Wellhöfer 2012). Die Gruppe hier steckt zwischen diesen beiden Phasen, da sie einerseits noch sehr vertraut miteinander sind, sich wohlfühlen und initiiert durch PSA noch einmal Stärke und Konzentrations- sowie Kooperationsfähigkeit in einer letzten gemeinsamen Arbeitsphase unter Beweis stellen müssen und andererseits der Abschied und die Trennung kurz bevor stehen, da sich die Vertiefungseinheit sowie das gesamte Seminar kurz vor dem Ende befinden und das Bedürfnis nach einem entspannten, lockeren Abschluss entsteht. Dieses Dilemma führt hier zur Überforderung und zur Unsicherheit, wie sie sich nun verhalten sollen (Erwartung der Anderen und PSA) und möchten (eigene Bedürfnisse und Vorstellungen). Für PSA bedeutet dies ebenfalls Unsicherheit, da sie genauso im Übergang dieser beiden Phasen steckt und nicht genau weiß, ob sie sich eher entsprechend der „Performing-Phase“ verhalten soll, also den Prozess beobachten und die Selbstständigkeit fördern oder schon entsprechend der „Re-Forming-Phase“ den Übergang und den Abschluss und die Auswertung thematisieren und unterstützend gestalten soll. In der Situation versucht PSA zudem ein ausgewogenes Verhältnis der pädagogischen Führungsstile nach Lewin, Lippitt und White (1939) zu finden. Bei den Führungsstilen wird zwischen dem „autoritären Stil“ (starke Lenkung, Befehle und Kontrolle), dem „demokratischen Stil“ (Verständnis, Toleranz, Abstimmung, Anregung) und dem „laissez-faire Stil“ (keine Anweisungen, komplette Zurückhaltung) unterschieden (vgl. Wellhöfer 2013, S. 110 f. und Sader 2002, S. 272 f.).
So hilft sie im Einstieg der Gruppe durch ihre „demokratische“ Haltung, indem sie Anregungen gibt und jedes Mitglied mit einbezieht, sich dann aber erst einmal „laissez-faire“ zurückzieht und das Geschehen beobachtet. Erst nachdem sie merkt, dass die Gruppe ihre Zurückhaltung auszunutzen oder zu überfordern scheint, greift sie „autoritär“, also lenkend, aber dennoch wertschätzend ein.
5.2 Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?
Die Gruppendynamische Intervention beschreibt die individuelle Reaktion der Gruppenleitung auf die Gruppenprozesse in den verschiedenen Gruppenphasen nach Tuckmann (1965) und Bernstein und Lowy (1996) (vgl. z.B. Stahl 2007, Wellhöfer 2012, König und Schattenhofer 2012). Für PSA bedeutet das in dieser Situation, den Übergang von der Arbeitsphase in die Abschieds- und Trennungsphase situativ zu gestalten. Stahl gibt z.B. an, dass Störsignale in der „Performing“ Phase in Form von Desinteresse, Unzuverlässigkeit und einem eher destruktiven, emotionalen Gruppenklima Indikatoren dafür sein können, dass ungelöste oder nicht vorhandene Zielkonflikte (erneut) in den Vordergrund geraten und die Gruppenleitung die Arbeitsphase beenden und die „Re-Forming-Phase“ einleiten sollte (vgl. Stahl 2007, S.168) . Dies setzt PSA in der Situation insofern um, dass sie nachdem sie Störsignale wahrgenommen hat, eingreift und den Abschluss und die Auswertung der Arbeitsphase als Ziel in Aussicht stellt. In der anschließenden Auswertung der Methode, leitet sie dann auch in die Abschlussphase ein, indem sie in die Gesamtreflexion/Feedback der Vertiefungseinheit übergeht. Nach König und Schattenhöfer wirken sich Ziel und Aufgabe sowie Freiwilligkeit und Zwang einer Gruppe auf deren innere Ordnung (bewusste und unbewusste Gefühle, Wertvorstellung, Verhaltensweisen und Ansichten etc.) aus (vgl. König und Schattenhöfer 2012, S. 23 f.). Die Auftrags- und Zielklärung ist somit Grundlage jeder funktionierenden Gruppe. Nach Stahl (2007) bringt jedes Gruppenmitglied zunächst eine Vielzahl individueller Zielvorstellungen (persönlicher Zielpool) in eine Gruppe (in der es ebenfalls um das zielgerichtete Miteinander geht) mit, was sich auf die Motivation und das Engagement auswirkt. Diese persönlichen Ziele unterscheiden sich in ihrer Art (sachlich oder zwischenmenschlich), Bedeutsamkeit und Dringlichkeit und darin, ob sie bewusst oder unbewusst sind. In einer Gruppe treffen diese vielen, persönlichen Zielpools aufeinander und bilden zusammen mit den durch den Kontext oder Rahmen vorgegebenen Zielen den Gruppenzielpool, den es zu strukturieren gilt.
Die Gruppe muss also klären wann, wie, welche Ziele verfolgt und erreicht werden sollen und diese Regeln dann in Form eines Gruppenvertrages entwickeln und festhalten (dies geschieht in der Regel nicht schriftlich). Dieser chaotische (weder beliebig, noch berechenbare) und sich selbst organisierende (unvorhersehbar, aber im Nachhinein nachvollziehbare) Prozess entwickelt sich stets weiter. Er muss bei sich ändernden Zielen immer wieder überarbeitet und angepasst werden. In diesem Prozess entscheidende Faktoren sind die Variation (Veränderung) des Zielpools, die Amplifikation (Verstärkung und Zuspitzung/Konfliktpotenzial) von unterschiedlichen Zielen, die Selektion (Auswahl) der Gruppenziele sowie die Restabilisierung der Gruppe. Aufgabe der Gruppenleitung bzw. Professionellen der Sozialen Arbeit ist dabei, die Gruppe in den jeweiligen Prozessen zu begleiten und zu unterstützen sowie die Lern- und Anpassungsfähigkeit zu fördern und Störungen in der (Weiter-)Entwicklung des Gruppenvertrages zu beheben (vgl. Stahl 2007, S.13 ff.).
Bei der Gruppe dieser Schlüsselsituation liegt vermutlich eine Störung der Amplifikation vor. Das heißt, Konflikte wurden bisher aus Angst vor Auseinandersetzungen vermieden, indem die unterschiedlichen Ziele nicht einander konkurrierend gegenüber gestellt und kritisch ausgehandelt wurden, so dass eine Scheinharmonie von der Gruppe hergestellt wurde. Diese ungelösten und unbewussten Konflikte gilt es von PSA aufzuspüren und die Gruppe dabei zu unterstützen, diese zu thematisieren (vgl. Stahl 2007, S. 21).
Das Thematisieren von Schwierigkeiten, Konflikten oder Situationen in der Situation selbst, wobei die Gruppe hauptsächlich eigenverantwortlich interagieren soll, wird von Sader als Interventionsmethode Meta–Ratschläge bezeichnet. Gemeint ist die Kommunikation bzw. der Austausch der Beteiligten über die Kommunikation, Interaktion und eigene Sichtweise des Problems innerhalb der Gruppe, auch Metakommunikation nach Watzlawick genannt (vgl. Sader 2002, S. 147 f.). Durch dieses Modell werden die Gruppenmitglieder zur Selbstbeobachtung und Selbsterfahrung angeleitet. Ein ganz ähnliches und vermutlich dem für Sader (2002) zugrunde liegenden Modell der Intervention, findet sich auch in der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Cohn (2004) wieder. Die Struktur des TZI beschreibt den Umgang und die Kommunikation innerhalb einer Gruppe (Wir), in der jedes einzelne Gruppenmitglied (Ich) eigenverantwortlich nach den eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Erfahrungen etc. in der konkreten Situation/Aufgabe (Es) handelt und dabei aber Rechte und Bedürfnisse der anderen Gruppenmitglieder respektieren soll. Dies alles geschieht innerhalb der gegebenen Situation und unter Rahmenbedingungen (Zeit, Raum, Motivation etc.), die von außen einwirken (Globe) (vgl. Wellhöfer 2012, S. 139 f.). Es gilt die Balance zwischen diesen Faktoren zu finden und den Grundsatz „Störungen haben Vorrang“ einzuhalten. Demnach müssen Gruppenleiter oder Teilnehmer vorhandene Störungen und intensive Gefühle direkt ansprechen und situativen Bedürfnissen Vorrang einräumen (vgl. Cohn 2004, S. 122 f.). Die Balance zu halten gelingt PSA in dieser Situation zunächst nur bedingt, da sie der „Globe“ (zeitlicher Rahmen) unter Druck setzt und sie darum zunächst nur das „Es“, also die Erfüllung der Aufgabe im Blick hat. Sie bemüht sich dann aber, den aktuellen Bedürfnissen soweit wie möglich Vorrang einzuräumen, indem sie die ausgelassene Stimmung zulässt und zur Orientierung den weiteren Verlauf vorgibt. Das Ansprechen der Störung und Gefühle setzt jedoch eine längerfristige Zusammenarbeit der Gruppe sowie genügend Zeit voraus, was in der Schlüsselsituation nicht gegeben ist und von PSA zeitlich bedingt also nicht aufgegriffen werden kann.
In der konstruktivistischen und systemischen Arbeit, abgeleitet aus der Hypnosetherapie nach Milton H. Erickson, findet sich das Utilisationsprinzip. Hier werden die individuellen, u.a. auch abstrakten und unbewussten Gegebenheiten, d.h. Fähigkeiten, Einstellungen, Motivation, Erfahrungen, Vorlieben etc. der Klienten nutzbar gemacht (zit. in: Stumm und Pritz 2009, S.746 f.). Die Gruppe findet eine kreative und neue Möglichkeit, mit dem Arbeitsauftrag die jeweilige Zitrone genau zu beschreiben umzugehen, was PSA akzeptiert und die Ergebnissen nutzt, welche die Gruppe liefert.
5.3 Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?
Durch Erfahrungen in der Arbeit als Erzieherin mit verschiedenen Gruppen, u.a. auch mit Jugendgruppen, ist PSA bekannt, dass eine sensible Wahrnehmung der Gruppenatmosphäre, der Bedürfnisse der Gruppenmitglieder sowie die Beobachtung des Gruppenprozesses ohne vorschnelle Intervention wichtig sind. Dies bietet die Möglichkeit abzuwägen, ob eine Eigendynamik Potentiale oder doch eher Schwierigkeiten für die Gruppe und deren Ziel bringt, woraufhin dann situationsorientiert gehandelt werden kann. In der bisherigen Arbeit mit Gruppen hat sich für PSA immer wieder herausgestellt, dass sich der Gruppenprozess schnell verhakt und verhärtet, wenn die Gruppenleitung ihre Zielvorstellung durchzubringen versucht, anstatt den Gruppenprozess an sich in den Vordergrund zu stellen. Zudem weiß sie aus ähnlichen Situationen, dass durch die eigene Zurückhaltung, die Eigenständigkeit und Partizipation der Gruppe in den Vordergrund rückt und die Gruppenmitglieder das Zutrauen vermittelt bekommen, die Situation zunächst selbstständig gestalten und lösen zu können. Dies wirkt sich oft positiv auf das Wir-Gefühl der Gruppe aus und kann kreative Beiträge hervorbringen sowie den Gruppenprozess auch noch einmal neu formieren.
Dass dies auch in Überforderung umschlagen kann, hat PSA ebenfalls bereits in der Arbeit mit Gruppen erfahren und reflektiert, weshalb sie hier nach einiger Zeit der Beobachtung zur Orientierung einen zeitlichen Rahmen und ein mittelfristiges Ziel festgelegt hat. Dass Arbeitsaufträge nach einer langen und konzentrations intensiven Arbeitsphase im Übergang zu einer Abschiedsphase eher als lästig empfunden werden können und daraus eine ggf. eher destruktive und alberne Arbeitsatmosphäre entsteht, kennt PSA auch aus persönlichen Erfahrungen als Teil einer Arbeitsgruppe in Fortbildungen und Seminaren.
In solchen Situationen wirkt sich ein motivierender, klarer Rahmen in Form eines Ausblicks, an dem man sich orientieren kann, positiv aus. Auch sollte immer wieder Raum zum Durchatmen und für ausgelassene Stimmung gegeben sein, um die Motivation und Konzentration aufrecht zu erhalten.
5.4 Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?
Auftrag der Organisation ist im Rahmen der Projektleiterschulung in erster Linie die Vermittlung und Förderung von Handlungskompetenz (z.B. im Umgang mit Gruppen) und relevantem inhaltlichen sowie methodischem Wissen. Sie werden selber eine Gruppe leiten und sollen für den Umgang, auch mit Schwierigkeiten und Notsituationen, „fit“ gemacht werden, was in einer intensiven sozialpädagogischen sowie Krisenmanagement Einheit bereits vor dieser Situation geschehen ist.
Inhaltlich sollen sie in der Lage sein, sich mit ihrer späteren Gruppe in den eigenen Workshops mit entwicklungspolitischen Themen (z.B. Nachhaltigkeit, Möglichkeiten und Schwierigkeiten Interkulturellen Austausches, Landespolitische Situation und Bildung, Kulturschock etc.) kritisch auseinanderzusetzen. Um dies in unterschiedlichen Methoden (vereinfacht) vermitteln zu können, sollen ihnen in den verschiedenen Vertiefungseinheiten einige Methoden vorgestellt und so als Werkzeug mit an die Hand gegeben werden. So werden sie darauf vorbereitet, selber eine Gruppe zu leiten und Wissen in Form verschiedener Methoden vermitteln zu können. Aufgrund dieses Auftrages fühlt sich PSA unter Druck, eine größere Methodenvielfalt in Bezug auf die Themen Umgang mit Stereotypen, Vorurteile, Diversität und vorgeprägten Einstellungen einzusetzen bzw. vorzustellen und anschließend deren Intention und Zweck zu reflektieren, um so ihre Gruppe mit ausreichend Werkzeug auszustatten. Zudem steht das gesamte Seminar kurz vor dem Ende bzw. Abschluss und alle – TeilnehmerInnen und auch PSA – haben in den letzten fünf Tagen bereits sehr viel Input bekommen oder vermittelt und intensiv zusammen gearbeitet, so dass die Energie und Konzentration bei den Meisten bereits verbraucht ist.
5.5 Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?
Um situationsorientiert handeln zu können, muss PSA in der Lage sein, den Gruppenprozess und die Bedürfnisse der Gruppe und einzelnen Mitglieder wahrzunehmen und zu beobachten. Im Zuge dessen sollte sie empathisch, wertschätzend und authentisch sein und unter Rücksichtnahme des Nähe–Distanz- Verhältnisses Beziehungsarbeit mit Gruppen und einzelnen Mitgliedern gestalten, um so entsprechend auf Bedürfnisse, Prozesse und mögliche Schwierigkeiten reagieren zu können.
Auf ungeplante Situationen bzw. unvorhersehbare Entwicklungen im Gruppenprozess gelassen, flexibel und konstruktiv reagieren zu können, ohne diese vorschnell als Störfaktor einzuordnen und diese anschließend zu reflektieren, ist hier eine ebenso wichtige Fähigkeit. Der abwägende Umgang mit dem doppelten Mandat, also dem Auftrag der Organisation auf der einen und den individuellen Bedürfnissen der Klienten (Gruppenmitglieder) auf der anderen Seite, sollte von PSA ausgelotet werden können, um so beiden so gut wie möglich gerecht zu werden. Methoden lebendig und effektiv einführen bzw. vermitteln zu können, setzt eine gewisse Methodenkompetenz voraus. Das bedeutet, PSA sollte bereits Erfahrungen mit verschiedenen ähnlichen oder den eingesetzten Methoden gemacht haben und diese sicher vermitteln und reflektieren zu können. Neben der in dieser Situation wichtigen Fähigkeit den Prozess und das Verhalten der Klienten zu beobachten und zu reflektieren, ist es ebenso wichtig, auch sich und das eigene Handeln zu beobachten, anschließend zu reflektieren und ggf. Zusammenhänge herstellen zu können, um so die eigene Professionalität weiter zu entwickeln.
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
Die inhaltliche und methodische Gestaltung der Vertiefungseinheiten wurde den jeweiligen GruppenleiterInnen, so auch PSA, frei überlassen. Vorgegeben sind hier nur Bezug und Relevanz zu den entsprechenden Workcamps und Vorbereitungswokshops, für die die LeiterInnen so umfassend und intensiv wie möglich „fit“ gemacht werden sollen. Da die Vertiefungseinheiten im gesamten Seminarplan eng getaktet eingeplant sind, steht PSA für die Themenbearbeitung und Methodenvorstellung nur wenig Zeit zur Verfügung, was eine gute und möglichst genaue Planung voraussetzt. Doch es schafft auch Druck und lässt nur bedingt Raum für Flexibilität, weswegen sich PSA zunächst unsicher ist, wie sie auf die Eigendynamik reagieren soll. Auch benötigtes Material (Zitronen, Flipchartpapier, Stifte) musste im Vorfeld genau eingeplant und besorgt werden, um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Einheit und Methode zu ermöglichen. Der zur Verfügung stehende Raum ist sehr klein, weshalb die drei Kleingruppen nach der Aufteilung sehr nah beieinander gesessen haben. Zum „Ausweichen“ hätten nur der laute Flur oder der weitläufige Garten des Seminarhauses noch zur Verfügung gestanden, gegen die sich PSA aber aus zeitlichen Gründen entschieden hat.
5.7 Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
Grundlage der in der Sozialen Arbeit ist die allgemein gültige Berufsethik. Hierbei geht es darum, die Selbstbestimmung der Klienten zu wahren, Partizipation zu ermöglichen und Selbstständigkeit zu fördern. PSA versucht dies trotz des vorgegebenen Ablaufs, den die Methode vorgibt, indem sie die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder wahr- und ernst nimmt, sie deren eigenen Ideen einbringen lässt und ihnen die Möglichkeit gibt, die Situation zumindest teilweise eigenständig zu gestalten und zu lösen. Als Angestellte des Kolpingwerkes, muss sich PSA auch an deren Leitbild „Verantwortlich leben, solidarisch handeln. Glauben und Gemeinschaft erleben.“ und deren Menschenbild orientieren. Das Menschenbild nach Kolping besagt, dass der Mensch Mitte und Ziel allen Handelns ist (Personalität), die Gemeinschaft bei der Erfüllung der Aufgaben, die die Kräfte des Einzelnen übersteigen hilft (Subsidiarität) und bei allem Handeln die Bedürfnisse auch der schwächsten Glieder zu berücksichtigen sind (Solidarität) (vgl. Leitbild des Kolpingwerkes Deutschland im Anhang).
Zusammengefasst bedeutet dies für PSA, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen (Gruppenmitgliedes), in einer Gemeinschaft (Gruppe) verantwortungsbewusstes Leben und solidarisches Handeln allgemein und in Bezug auf die bevorstehenden Workcamps vorzuleben, zu thematisieren und gemeinsam zu erleben bzw. erlebbar zu machen. Daran angelehnt orientiert sich PSA an dem humanistischen, personenzentrierten Bild nach C. Rogers das besagt, dass jeder Mensch ein gleichwertiges Individuum mit eigenen Interessen, Bedürfnissen und Potentialen ist, der da abgeholt werden muss, wo er steht. Eine wertschätzende, wertfreie, empathische und authentische Grundhaltung der Professionellen der Sozialen Arbeit auf Augenhöhe mit den Adressaten/Klienten ist hierfür Voraussetzung (vgl. http://www.carlrogers.de/grundhaltungen-personenzentrierte-gespraechstherapie.html und Wellhöfer 2012, S. 136). So bemüht sich PSA den Bedürfnissen der Gruppenmitglieder nach Ausgelassenheit, Kreativität und Selbstbestimmung empathisch und auf Augenhöhe so weit wie möglich Raum zu geben und dabei authentisch zu bleiben.