5.1 Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?
Konditionierungstheorie nach Skinner
Beim Lernen durch Konditionierung wird je nach Konsequenz eines Verhaltens diese künftig wiederholt oder verworfen (vgl. Siebert 2007:41). Dabei wird ein bestimmtes Verhalten mit seiner Konsequenz gekoppelt (vgl. ebd.:40-41). Die Konsequenzen können ein Verhalten positiv oder negativ verstärken. Verstärkung bedeutet, dass ein Verhalten unter ähnlichen situativen Bedingungen wiederholt wird. Bei der positiven Verstärkung folgt auf ein Verhalten eine positive Konsequenz, so dass dieses Verhalten wiederholt wird. Bei der negativen Verstärkung kann durch ein bestimmtes Verhalten eine unangenehme Konsequenz vermieden werden. Dadurch wird die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens ebenfalls erhöht (vgl. Chapman et al. 2009:74-75). Die PSA ist sich in dieser Situation bewusst, dass die anderen Mitarbeitenden im Team implizit nach der operanten Konditionierung handeln. In der Situation soll der Klient die Erfahrung machen, dass das Essen eine positive Konsequenz mit sich bringt. Denn als er selbstständig isst, wird er von der PSA in der fünften Sequenz gelobt und erhält dadurch positive Aufmerksamkeit. Die PSA hat ihm durch das Aufzwingen des Essens die Möglichkeit gegeben positive Erfahrungen in Bezug auf die Essenseinnahme zu machen.
Humanistische Ps chologie nach A. Maslow
In der humanistischen Psychologie wird jeder Mensch als eigenständige Persönlichkeit gesehen und in seiner Individualität respektiert. Die humanistische Psychologie geht von der Grundannahme aus, dass jeder Mensch nach Autonomie strebt und über eigene Fähigkeiten zur Veränderung und Problemlösung verfügt. Sind diese Fähigkeiten aufgrund von Behinderung, Krankheit oder Alterungsprozess gestört oder eingeschränkt, so gilt es diese brachliegenden Ressourcen zu entdecken und zu fördern. Zudem vertritt die humanistische Psychologie die Meinung, dass jeder Mensch für sich selber weiss, was für ihn gut ist. Jeder Mensch soll ernstgenommen werden in der Art und Weise wie er sich ausdrückt und handelt. Jedes Verhalten macht für den betreffenden einen Sinn, auch wenn dieser für die Mitmenschen verborgen bleibt. Wenn wir einem Menschen mit geistiger Behinderung mit der Haltung begegnen, dass sein Verhalten eine Bedeutung hat, die wir nicht verstehen, ermöglicht dies einen ganz anderen Zugang zu diesem Menschen, als wenn wir ihn einfach als „verrückt“ oder „verwirrt“ abstempeln (vgl. Pörtner 2004:28).
Die PSA kennt die humanistische Psychologie und würde dem Klienten deshalb lieber keinen Löffel eingeben, sondern ihn autonom entscheiden lassen, ob er essen will oder nicht. Die PSA sieht in der dritten Sequenz die Fähigkeit des Klienten ein „Nein zum Ausdruck zu bringen“ als Ressource, die es zu stärken gilt. Deshalb hat die PSA Mühe das erste „Nein“ des Klienten nicht ernst zu nehmen und ein zweites Mal zu versuchen, den Löffel einzugeben. Denn so vertritt sie implizit die Haltung, dass der Klient verwirrt ist und nicht selbst weiss, was er möchte und dies möchte die PSA eigentlich vermeiden.
Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun
Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun ist auch als „Vier Ohren Modell“ bekannt. Gemäss diesem Modell enthält jede Nachricht vier Botschaften (Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungshinweis, Appell). Bei der Sachebene eines Gesprächs geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Hören wir eine Botschaft auf dem sogenannten „Sachohr“ so überlegen wir uns bloss ob diese Botschaft wahr oder nicht zutreffend ist und ob sie für uns relevant ist (vgl. http://www. 4augen-modell.com/4augen-modell/kommunikationsquadrat). Die Selbstkundgabe wird von Schulz von Thun auch als Selbstoffenbarung beschrieben, denn in jeder Botschaft gibt der Sender dieser Botschaft auch etwas von seiner Persönlichkeit, Einstellung etc. preis. Jede Äusserung enthält auch wenn wir dies nicht beabsichtigen, Hinweise darauf, was in uns vorgeht (vgl. ebd.). So offenbaren wir mit unseren Botschaften auch immer Dinge unserer Persönlichkeit, welche der Empfänger der Botschaft mit dem sogenannten „Selbstoffenbarungsohr“ wahrnehmen kann. Wenn wir mit unserem Gegenüber sprechen, so senden wir mit bestimmten Formulierungen, dem Tonfall sowie der Gestik und Mimik auch immer Hinweise darauf, wie wir zu unserem Gegenüber stehen. Hört der Empfänger der Nachricht mit dem sogenannten „Beziehungsohr“ hin, so gibt ihm dies Aufschluss darüber, was der Sender der Nachricht von ihm hält und wie er zu ihm steht (vgl. ebd.). Wenn wir mit jemandem sprechen, so möchten wir oftmals auch etwas beim Gegenüber bewirken und auf den Gesprächspartner Einfluss nehmen. Hört das Gegenüber mit dem sogenannten Appellohr hin, so nimmt er diese impliziten Erwartungen, Wünsche, und Ratschläge, Handlungsanweisungen usw. auf und fragt sich, was er nun denken, fühlen und tun soll (vgl. ebd.). Bei der PSA ist das „Appell-Ohr“ in Situationen mit ihren übergeordneten Mitarbeitenden ziemlich ausgeprägt, deshalb merkt sie oft oder meint zu merken, was ihre Mitarbeiter von ihr erwarten. Die PSA hatte schon einmal die Situation erlebt, dass sie dem Klienten nicht den Löffel eingegeben hatte, worauf die anwesende Mitarbeiterin aufgestanden ist und dem Klienten selbst den Löffel eingab. Die PSA hat bei dieser Situation mit dem „Appell-Ohr“ hingehört und so war für sie klar, dass von ihr erwartet wird, dass sie dem Klienten in der fünften Sequenz den Löffel eingibt. Wäre bei der PSA ein anderes Ohr ausgeprägt, so wäre ihr vielleicht gar nicht erst in den Sinn gekommen, dass von ihr dies erwartet wird.
Selbstwirksamkeit nach Bandura
Die Selbstwirksamkeit ist die persönliche Erwartung, selber etwas bewirken zu können. Das setzen von erreichbaren Zielen, das Entwickeln von realisierbaren Strategien um die Ziele zu erreichen und das realistische Bewerten von Rückmeldungen beeinflussen die Entwicklung von Selbstwirksamkeit. Gelingt es einer Person eine schwierige Situation erfolgreich zu bewältigen und der Erfolg wird den eigenen Fähigkeiten zugeschrieben, wird die Selbstwirksamkeit einer Person gestärkt. Die eigene Einschätzung unserer Selbstwirksamkeit steuert unsere Wahrnehmung, Motivation und die eigene Leistungsbereitschaft (vgl. Zimbardo/Gerrig 2008: 616). Da die PSA die Theorie der Selbstwirksamkeit kennt und will, dass sich die Klienten selbstwirksam fühlen, möchte die PSA dem Klienten den Löffel in der dritten Sequenz nicht eingeben. Sie möchte vielmehr, dass der Klient selber über sein Essen entscheiden kann und sich mit seiner nonverbalen Sprache selbstwirksam erlebt. Deshalb lässt die PSA dem Klienten in der vierten Sequenz noch einmal Zeit selbstständig mit dem Essen zu beginnen.
5.2 Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?
Lösungsorientiertes Handeln
Das lösungsorientierte Handeln geht auf den lösungsorientierten Ansatz nach Insoo Kim Berg und Steve de Shazar zurück. Beim lösungsorientierten Handeln geht es nicht darum, Erklärungen zu finden, weshalb etwas nicht funktioniert oder ein Problem existiert, sondern es geht vielmehr darum, gezielt nach Situationen zu suchen, wo das Problem nicht aufgetreten ist oder positiv ausging (vgl. Hochuli, Stotz 2009). Die PSA hat die Erfahrung gemacht, dass der Klient Nahrungsersatz-Drinks gerne hat und diese jeweils ohne Widerwille trinkt, wenn die anderen Klienten nicht mehr am Tisch sind. Die PSA hätte (sofern sie alleine als Betreuungsperson am Tisch gewesen wäre) dem Klienten keinen Löffel aufgezwungen, sondern lediglich versucht zum Essen zu motivieren. Sie hätte nach der Esssituation dem Klienten einen solchen Drink gegeben. Die PSA hätte dadurch nicht nach den Ursachen für das Verweigern des Klienten gesucht, sondern lediglich versucht, das Ziel Nährstoffe aufzunehmen, zu erreichen.
Die personenzentrierte Haltung nach Rogers
Die personenzentrierte Haltung besteht aus den Komponenten Empathie (einfühlendes Verstehen), Wertschätzung und Kongruenz (vgl. Pörtner 2004:29). Empathie bedeutet, dass ich versuche das Erleben und die Gefühle meines Gegenübers genau und sensibel zu erfassen und mich in sein Erleben einzufühlen. Dabei jedoch nicht ausser Acht lasse, dass ich selbst nicht der Andere bin und Empathie demnach nicht mit Identifikation gleichzusetzen ist. Einfühlendes Verstehen dient nicht dazu, die Handlung des Gegenübers einzuordnen oder zu interpretieren, sondern sich möglichst genau in sein Erleben und in seine Welt hineinzuversetzen. Eine innere Haltung, dass man sein Gegenüber verstehen will, wirkt beim Gegenüber entwicklungsfördernd (vgl. ebd.). Wertschätzung kann auch als ein „nicht wertendes Verhalten“ bezeichnet werden und bedeutet, dass ich mein Gegenüber akzeptiere ohne zu werten. Ich akzeptiere den Menschen als ganze Person, so wie er im Augenblick ist, mit all seinen Schwierigkeiten und Möglichkeiten (vgl. ebd.). Kongruenz kann auch als „Echtheit“ bezeichnet werden und bedeutet, dass ich mein eigenes Erleben von, dem trennen kann, was ich bei meinem Gegenüber wahrnehme. Dies erfordert, dass ich meine Gefühle und Eindrücke zulasse und akzeptiere aber nicht, dass ich sie meinem Gegenüber ungefiltert an den Kopf werfe. Ich muss abschätzen können, wann es im Rahmen meiner Aufgabe liegt, meine Gefühle mitzuteilen, und wann nicht (vgl. ebd.). In der genannten Situation wird die personenzentrierte Haltung an folgenden Punkten ersichtlich: Die PSA akzeptiert in allen Sequenzen den Klienten ohne zu werten. Als der Klient in der dritten Sequenz der PSA den Löffel aus der Hand schlägt, wird sie nicht wütend. Sie akzeptiert sein Verhalten als die einzige Möglichkeit, welche er in diesem Augenblick hat, ein „Nein, ich will nicht essen“ zum Ausdruck zu bringen. Die PSA versucht vor allem in den ersten beiden Sequenzen empathisch zu handeln und die Gefühle des Klienten zu erfassen. Sie möchte verstehen, ob er essen will und dabei Hilfe benötigt oder ob er gar nicht essen will.
Autonomie stärken
Eines der zentralen Grundsätze des humanistischen Menschenbildes nach Maslow ist das Stärken der Autonomie. In der Arbeit mit geistig behinderten Menschen ist einer der wichtigsten Bereiche die Entwicklung des Selbstbildes, des Selbstwertgefühls und der Ich-Stärke. Dies wird massgeblich beeinflusst durch das Mass an Autonomie, welches der Mensch erfährt. Denn das Erleben von Autonomie setzt – oft auch stark verzögert – zur Freisetzung von Eigenaktivität und zum Erleben der eigenen Kompetenzen. Wichtig ist, dass dem behinderten Menschen Partizipation und Wahlmöglichkeiten geboten werden und seine Entscheidungen respektiert werden (vgl. http://www.gin.at/menschenbild.html). Die PSA möchte die Autonomie des Klienten stärken, indem sie ihm die Wahlmöglichkeit geben möchte, ob er Essen will oder nicht. Dies kommt vor allem in der ersten Sequenz zum Ausdruck, in dem sich die PSA überlegt, wie sie den Klienten zum selbstständigen Essen motivieren kann und somit seine Autonomie stärken kann.
Yann Steger: Siehe dazu auch Wissensressource zum Autonomiebegriff und zu Selbstbestimmung im Kontext Behinderung: Intervision vom 10. Mai 2017
5.3 Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?
- Andere Mitarbeiter der Wohngruppe reagieren auf das „Essen-Verweigern“ des Klienten , indem sie ihm den ersten Löffel eingeben und darauf hoffen, dass er in Folge zu essen beginnt. Da dies meist beim ersten oder zweiten Anlauf funktioniert, wird diese Taktik weiterverfolgt.
- Wenn die PSA darauf verzichtet dem Klienten einen Löffel einzugeben, so wird dies von der anwesenden Betreuungsperson gemacht.
- Die PSA hat in ähnlichen Situationen in anderen Institutionen die Erfahrung gemacht, dass Klienten, die das Essen verweigern, irgendwann Hunger haben und von alleine zu essen beginnen. Aus diesem Grund wendet sich die PSA in der vierten Sequenz für eine Weile vom Klienten ab.
- Die PSA hat die Erfahrung gemacht, dass manche Klienten Mühe haben im Plenum zu essen und dass sie in ungezwungener Atmosphäre (Bsp. Zweier-Situation) besser essen können.
5.4 Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?
Regeln und Weisungen
In der Organisation existieren implizite Regeln und Weisungen, welche nicht durchs Leitbild der Institution untermauert werden. Denn im Leitbild der Institution steht, dass sie sich am humanistischen Menschenbild orientiert, welches „Autonomie stärken“ als zentralen Wert hat.
Individuelle Handhabungen
In der Institution existieren unterschiedliche Handhabungen im Umgang mit der Klientel. In den Handlungen der einzelnen Betreuungspersonen werden verschiedene Werthaltungen zum Ausdruck gebracht.
Geschichte des Klienten kennen
Die PSA konnte nicht mit Gewissheit sagen, ob beim Klienten schon einmal getestet wurde, ob er ein Hungergefühl hat bzw. irgendwann von alleine zu essen beginnt. In der Situation wäre dieses Wissen hilfreich gewesen, damit die PSA Handlungsalternativen hätte vertreten und durchsetzen können.
5.5 Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?
Während dem Handeln reflektieren
Die PSA ist in der Lage während der Situation auf die Metaebene zu gehen, die Situation zu reflektieren und eine bewusste Entscheidung über ihr weiteres Handeln zu treffen. Dies kommt in den Sequenzen beim Kognitiven der PSA zum Ausdruck. Denn sie überlegt sich stets, wie sie in der nächsten Sequenz handeln wird.
Geduldig sein und ruhig bleiben
Die PSA bleibt in der Situation ruhig und gefasst und wägt laufend ab, was sie als nächstes tun wird. Die PSA ist vom naturell her eine Person, die viel Geduld und Ruhe in sich trägt. Dies zeigt sich vor allem in der dritten und vierten Sequenz, in dem die PSA ruhig bleibt und nicht emotional auf den Klienten reagiert, als er den Löffel weg schlägt.
Respekt gegenüber älterer Generation
Die PSA hat grossen Respekt gegenüber älteren Fachpersonen, welche ihre Ausbildung abgeschlossen und viele Jahre Berufserfahrung haben. Aufgrund dessen orientiert sie sich stark am Verhalten anderer Mitarbeitenden. Zudem reflektiert sie lange bevor sie in der Lage ist, mit Überzeugung eine andere Haltung einzunehmen und Handlungen anderer Mitarbeiter in Frage zu stellen. Aus diesem Grund handelt sie nicht so, wie sie es für richtig hält, sondern sowie die anderen Mitarbeitenden es handhaben und es implizit von ihr erwartet wird. Dies wird vor allem in der zweiten Sequenz im Kognitiven der PSA deutlich.
Klient als eigenständige Person wahrnehmen
Die PSA besitzt die Fähigkeit, den Mensch als eigenständige Person mit eigenen Bedürfnissen wahrzunehmen und nicht als „Problem“. Die PSA nimmt den Klient als einen Menschen mit eigenem Willen und Bedürfnissen wahr. Aus diesem Grund versucht sie den Klienten zu motivieren ohne den Löffel einzuführen. Zudem möchte die PSA dem Klienten den Löffel nach dem ersten Nein lieber nicht aufzwingen.
Fähigkeit selbstbeherrscht und –kontrolliert zu bleiben Die PSA verliert in der Situation nicht die Beherrschung, obwohl ihr der Löffel aus der Hand geschlagen wurde. Durch die Reflektion in den jeweiligen Sequenzen bleibt sie handlungsfähig.
Interventionswissen zur Verfügung haben
Die PSA hat Interventionswissen zur Verfügung und kann dieses zum Teil in ihr Handeln integrieren. Die PSA kennt die verschiedenen Handlungsalternativen in den Sequenzen zum Beispiel, dass man dem Klienten auch einen Nahrungsersatz- Drink geben könnte, anstatt ihm das Essen aufzuzwingen.
Fähigkeit, unvoreingenommen in die Situation zu gehen
Die PSA geht unvoreingenommen in die Situation und lässt sich von den Erlebnissen der letzten Woche dem Klienten gegenüber nicht beirren. Sie geht deshalb bereits am Anfang der Situation (in der ersten Sequenz) unvoreingenommen auf ihn ein und versucht nicht direkt ihm den Löffel einzugeben.
5.6 Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?
Weisungen und Regeln
Auf der Wohngruppe existieren implizite Weisungen und Regeln, welche auf langjähriger Erfahrung mit dem Klienten basieren: Diejenige Betreuungsperson, welche bei der Tischsituation neben dem Klienten sitzt, ist dafür zuständig, ihn zum Essen zu animieren und wenn nötig den ersten Löffel einzugeben, damit er zu essen beginnt.
Personelle Struktur
Es wird im Zweier-Team gearbeitet. Dies bedeutet, dass die PSA nicht alleine mit den Klienten isst und somit von der anderen Betreuungsperson beobachtet werden kann. Diese Struktur fordert, dass die PSA nicht nach eigenem Gutdünken handelt, sondern so wie es wohlmöglich von der anwesenden Betreuungsperson als „richtig“ empfunden wird.
Menüplan ist vorgegeben
Das Essen wird jeweils auf die Wohngruppen geliefert und somit haben Betreuungspersonen sowie die Klienten keinen Einfluss darauf, was wann auf dem Teller steht.
Zeitliche Voraussetzungen
Für das Essen ist eine Stunde eingeplant. Jedoch besteht die Möglichkeit bei Bedarf das Essen zu verlängern.
5.7 Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?
Humanistisches Menschenbild
Die Mitarbeitenden der Institution verpflichten sich einem humanistischen Menschenbild. Demnach respektieren sie die Individualität der einzelnen KlientenInnen und sind überzeugt von deren Lern- und Entwicklungsfähigkeit. Zudem vertreten sie die Ansicht, dass nur der Klient/die selbst weiss, was gut für ihn ist. Ausserdem muss jeder Klient und jede Klientin ernst genommen werden in seiner eigenen Ausdrucksweise, auch wenn sie für die Professionellen der Sozialen Arbeit zunächst unverständlich erscheint. Denn für die betreffende Person macht das eigene Handeln stets einen Sinn, auch wenn dieser fürs Gegenüber verborgen bleibt (vgl. Pörtner 2004:27-28). Die PSA betrachtet den Klienten als lern- und entwicklungsfähig. Deshalb versucht sie den Klienten immer wieder zum Essen zu motivieren und gibt ihm Zeit selbst mit dem Essen zu beginnen. Zudem ist sie sich bewusst, dass nur der Klient weiss, was für ihn gut ist und was nicht. Aus diesem Grund überlegt sie sich in der fünften Sequenz, wie sie den Klienten dazu bringen kann seine Ressourcen zur Problemlösung zu aktivieren ohne ihn den Löffel in den Mund zu führen.
Berufskodex der Sozialen Arbeit
Im Berufskodex der Sozialen Arbeit ist der Grundsatz der Selbstbestimmung verankert und wird wie folgt umschrieben: „Das Anrecht der Menschen, im Hinblick auf ihr Wohlbefinden, ihre eigene Wahl und Entscheidungen zu treffen, geniesst höchste Achtung, vorausgesetzt dies gefährdet weder sie selbst noch die Rechte und legitimen Interessen Anderer“ (Avenir Social 2010:8). Die PSA macht sich Gedanken zu diesem Wert, in dem sie sich überlegt ob es überhaupt Sinn macht den Klienten zum Essen zu zwingen. Sie würde ihm lieber die Entscheidung offen lassen ob er essen möchte oder zu einem späteren Zeitpunkt den Nahrungsersatz- Drink einnehmen will. Jedoch kann die PSA in dieser Situation nicht nach ihren Wertenvorstellungen handeln, da sie sich gezwungen fühlt die impliziten Weisungen zu befolgen.
Leitbild der Institution
Im Leitbild der Institution steht, dass in der Institution zielorientiert und partizipativ gearbeitet wird und dass sich der Umgang mit dem Klientel am humanistischen Menschenbild orientiert, sowie am gesetzlich verankerten Anspruch auf Gleichstellung. Zudem verpflichtet sich die Institution zur Einhaltung von Werten wie Wertschätzung, Respekt und Vertrauen. Die PSA arbeitet zielorientiert in dem sie versucht den Klienten selbstständig zum Essen zu motivieren. Indem die PSA sich dagegen sträubt dem Klienten den Löffel in den Mund zu führen, zeigt sich, dass sie hinter dem Leitbild der Institution steht und dies in ihrem Handeln zeigen möchte.