Ausbildungsgespräch führen / Fördern der Kompetenz zur Selbstreflexion

Stichwörter:

Die Situation findet zwischen einer Studierenden der Sozialen Arbeit im zweiten Ausbildungsjahr und ihrer Praxisausbildnerin im Rahmen eines Praxisausbildungsgesprächs statt. Beide sind in einer Wohnschule mit Internat beschäftigt und arbeiten mit verhaltensauffälligen männlichen Kinder und Jugendlichen im Alter von 7 bis 16 Jahre. Sie wollen belastende Alltags-Situationen besprechen in denen es der Studierenden nicht gelungen ist sich abzugrenzen und sie sich in eine zu intensive emotionale Diskussion verwickeln hat lassen. 

Erste Sequenz: Gesprächseinstieg und Schilderung einer Beispielsituation

Nachdem die Praxisausbildnerin die Sitzung mit einer Befindlichkeitsrunde eingeleitet hat, wird eine bestimmte herausfordernde Situation, welche die Studierende mit einem Jugendlichen erlebt hat, von ihr geschildert. Dabei soll die Studierende auch bewusst ihre Emotionen beschreiben. Die Studierende kann sich gut darauf einlassen und beschreibt ihre empfundenen Emotionen deutlich.

Reflection in Action

  • Emotion Studierende/r: niedergeschlagen, angespannt
  • Emotion Professionelle/r: interessiert, empathisch, konzentriert
  • Kognition Professionelle/r: ist vorbereitet und kennt den Ablauf des Gesprächs, bewusst mit Befindlichkeitsrunde eingestiegen, die Studierende beim Thema abgeholt (hohe Dringlichkeit)

 

Zweite Sequenz: Situation wird analysiert 

Im zweiten Schritt besprechen beide, welche Themen sich aus der Situation herauskristallisieren. Zur Unterstützung machen sie ein Rollenspiel indem die Studierende den Klienten spielt und die Praxisausbildnerin die Studierende. Dabei stellt sich die Studierende vor, was sie in der Rolle des Klienten in dieser Situation braucht, damit es nicht eskaliert.

Reflection in Action

  • Emotion Studierende/r: fühlt sich ernst genommen. Hoffnungsvoll eine ähnliche Situation das nächste Mal besser meistern zu können, weshalb sie Motivation entwickelte sich auf das Rollenspiel einzulassen.
  • Emotion Professionelle/r: anfängliche Verunsicherung wie das Thema aufgegriffen werden soll wurde durch Sicherheit und Zuversicht abgelöst sobald ein methodisches Mittel für die Themenbearbeitung gefunden wurde.
  • Kognition Professionelle/r: Sucht gedanklich nach angemessenem Handlungsplan, findet diesen und setzt ihn um. Im Fokus steht das Erschaffen eines Settings, dass das direkte Nacherleben der Situation für den Studierenden ermöglicht. 

 

Dritte Sequenz: Handlungsalternativen werden gesucht

Zusammen suchen sie nun Handlungsalternativen. Durch das Rollenspiel merkt die Studierende relativ schnell, dass sie ein gelasseneres Gegenüber braucht, damit sie als Klient/in nicht noch mehr negative Emotionen entwickelt bzw. sich diese verstärken. Weiter merkt sie, dass zu viel Druck bei ihr als Klient/in nur noch mehr Wiederstand auslöst und wenn das Gegenüber sich auf eine zu intensive emotionale Diskussion einlässt, sie als Klient/in nicht mehr von alleine aus der Situation rauskommen kann.

Reflection in Action

  • Emotion Studierende/r: Neugierig und gespannt auf das Rollenspiel. Positiv überrascht, wie hilfreich dieses Instrument ist, um sich in die Situation des Klienten hinzuversetzten. Stolz auf sich selbst, dass sie sich auf das Rollenspiel einlassen konnte und gemerkt hat, welche Auswirkungen welches Verhalten mit sich zieht und was zu grosser Druck auslösen kann.
  • Emotion Professionelle/r: Ist begeistert, dass sich die Studierende so gut auf das Rollenspiel einlassen konnte. Stolz, die richtige Methode ausgewählt zu haben.
  • Kognition Professionelle/r: Erreichte mit der Methode genau was sie wollte. Ist sich bewusst, dass dies auch anders hätte sein können, wenn sich die Studierende nicht auf das Rollenspiel eingelassen hätte. 

 

Vierte Sequenz: Gesprächsabschluss

Die Studierende fasst nochmals ihre alternativen Handlungsmöglichkeiten zusammen, wenn sie das nächste Mal in eine solche Situation kommt. Nach Abschluss des Gespräches fühlt sich die Studierende „ready“ um in einer ähnlichen Situation andere Handlungsmöglichkeiten anzuwenden und sich nochmals daran zu erinnern, wie sie sich gefühlt hat, als Klient. 

Reflection in Action

  • Emotion Studierende/r: fühlt sich gestärkt, selbstbewusster und bereit, um in solchen Situationen adäquat handeln zu können. Ist froh über diese neue Erfahrung und das daraus gewonnene Wissen. 
  • Emotion Professionelle/r: Ist zufrieden mit dem Gesprächsverlauf und dem Resultat. 
  • Kognition Professionelle/r: möchte dass die Studierende nochmals ihre Handlungsalternativen zusammenfasst, damit sie auch gefestigt sind. Achtet dabei darauf, ob die Studierende das Wesentliche behalten hat und ob sie sich für eine nächste ähnliche Situation bereit fühlt oder ob sie noch etwas braucht. 

5.1      Erklärungswissen – Warum handeln die Personen in der Situation so?

 

Lösungsorientierte Haltung – Warum fokussiert die PA die Reflexionsfähigkeit der Studierenden?

 

Das lösungsorientierte Handeln geht auf den lösungsorientierten Ansatz nach Insoo Kim Berg und Steve de Shazar zurück. Beim lösungsorientierten Handeln geht es nicht darum, Erklärungen zu finden, weshalb etwas nicht funktioniert oder ein Problem existiert, sondern eine Lösung zu finden. Beim Lösungsorientierten Ansatz steht die Fokussierung auf die Ressourcen und Stärken im Vordergrund. Dabei gilt es, gezielt nach Lösungen zu suchen, statt die Probleme und deren Entstehung zu bearbeiten. Die Konstruktion von Lösungen ist prozesshaft.  (vgl. De Shazer 2012)

 

Die PA analysiert nicht die Problemsituation, welche zwischen der Studierenden und dem Klient stattgefunden hat und deren Ursachen, sondern fokussiert sich darauf, was die Studierende nächstes Mal anders machen kann. Es werden realistische und konkrete Lösungsstrategien entwickelt mit denen die Studierende in ähnlichen Alltagssituationen mehr Sicherheit erlangen kann. 

 

Rollenspiele in der Pädagogik – Warum wählt die PA ein Rollenspiel für die Reflexion aus? 

 

Ein Rollenspiel ist eine spielerische Auseinandersetzung mit Lebenssituationen. Ziel ist es, Hintergründe und Motive sichtbar zu machen und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, indem verschiedene Perspektiven (Rollen) eingenommen werden. Die gespielten Rollen lassen sich auf folgende Fragen hin reflektieren (vgl. Reich 2008): 

 

  • Wie authentisch waren meine Aktionen?
  • Was habe ich erlebt? 
  • Welche Teile waren mir eigen, welche fremd? 
  • Auf welche Teilnahme kann ich mich einlassen? 
  • Wo gibt es Grenzen? 
  • Was habe ich beobachtet? 
  • Was habe ich bei mir gesehen? 
  • Was bei anderen?

Die Vielzahl dieser Perspektiven zeigt, dass Rollenspiele eine komplexe Form des Lernens darstellen, welche hohe Eigenanteile der Lernenden enthalten können. Hier liegt auch eine Begründung dafür, dass Rollenspiele eine gewisse Angst bei Lernenden auslösen können.  

 

  • Folgende Wirkungen lassen sich durch das Rollenspiel erzielen (vgl. Reich 2008):
  • Flexibilität und Kreativität werden gefördert
  • Wissen kommt zum Vorschein und wird vergrössert
  • Fähigkeiten zum Problemlösen werden erweitert
  • Die Sprachtätigkeit wird erweitert
  • Einstellungsänderungen werden bewirkt
  • Selbstsicheres Verhalten kann aufgebaut werden

Die PA möchte die Studierende dazu anregen, alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, indem sie die Perspektive des Klienten einnimmt. Damit fördert die PA die Flexibilität der Studierenden, da sie nicht ihre eigene Rolle spielt sondern die des Klienten. Die Studierende merkt ziemlich schnell, welches Verhalten für den Klienten förderlich und welches hinderlich ist. Dies zeigt, dass die Studierende dieses Wissen bereits besitzt, es aber durch das Rollenspiel erst zum Vorschein gekommen ist. Dadurch wird ihre Fähigkeit zum Problemlösen erweitert, da sie nun mit anderen Handlungsalternativen in ähnliche Situationen hineingehen kann. Ebenfalls wurde ihr selbstsicheres Verhalten aufgebaut, da sie sich nach Abschluss des Gespräches bereit fühlte solche Situationen in Angriff zu nehmen. 

 

Modellernen- Warum wählt die PA ein Rollenspiel für die Reflexion?

 

Die Selbstwirksamkeitserwartung wird durch vier Erfahrungsbereiche beeinflusst:

 

  • Bewältigungserfahrung: Erfolge erhöhen die Selbstwirksamkeit, wohingegen Misserfolge sie reduzieren. Um die wahrgenommene Selbstwirksamkeit sukzessive zu erhöhen, ist es z.B. sinnvoll, Lernziele zu formulieren und in überprüfbare Teilziele herunter zu brechen oder “Probehandeln” bei eher einfachen Aufgaben durchzuführen und sich dann zu steigern, um das Misserfolgsrisiko zu reduzieren. Dies ist der wichtigste Erfahrungsbereich, da die Person selbst aktiv wird.
  • Stellvertretende Erfahrung: Fehlt es in Verhaltensbereichen an eigenen Erfahrungen, kann die wahrgenommene Selbstwirksamkeit positiv durch Modellverhalten Anderer, welche als soziale Vergleichsgruppe akzeptiert wird, beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund können im Erfahrungsaustausch und in Mentorenmodellen wichtige Gestaltungsansätze liegen.
  • Verbale Informationsvermittlung: Wenn eine Person ihre Verhaltensausführung selbst nur schwer einschätzen kann, dann lässt sich die wahrgenommene Selbstwirksamkeit z.B. durch eine konstruktive Feedbackkultur stärken.
  • Psychologische und affektive Zustände: Stimmung und Gefühle stehen in enger Wechselwirkung mit der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit. Zum Beispiel kann sich Stress negativ auf Gefühle und Lernverhalten auswirken. (vgl. Jonas & Bremer 2002, S. 277 ff.)
  • Die Frage warum die PA ein Rollenspiel für die Reflexion auswählt, kann man mit der stellvertretenden Erfahrung und der verbalen Informationsvermittlung erklären: 
  • Die PA geht davon aus, dass die Selbstwirksamkeit der Studierende positiv beeinflusst wird, wenn sie anhand eines Rollenspiel und der damit verbundenen Selbsterfahrungen eigenständig Handlungsalternativen entwickelt. 
  • Die Studierende konnte ihre Verhaltensausführung in der Situation nur schwer einschätzen und war sich nicht bewusst, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf den Klient hatte. Durch das Rollenspiel ist ihr bewusst geworden, wie sich ihr Verhalten auf den Klient ausgewirkt hat und konnte es anpassen. 

Das Johari Fenster von Joseph Luft und Harry Ingham – Warum spielt die PA bei dem Rollenspiel die Studierende?

 

Das Johari Fenster beschreibt Beziehungen unter dem Blickwinkel der Wahrnehmung. Es wird genutzt, um so genannte “blinde Flecken” im Selbstbild einer Person ausfindig zu machen. Dies geschieht durch Mitteilen von Beobachtungen über blinde Flecken direkt an den Betroffenen. So kann der Betroffene Erkenntnisse über sich selbst gewinnen und seinen Handlungsspielraum bewusster wahrnehmen. 

 

Das Johari-Fenster wird in vier Bereiche unterteilt: 

 

  1. Öffentlich (mir bekannt, anderen bekannt)
    Der öffentliche Bereich meines Handelns bezieht sich auf  mein Verhalten und meine Motivationen, die mir und anderen bekannt sind.
  2. Blinder Fleck (mir nicht bekannt, anderen bekannt)
    Unter dem „blinden Fleck“ versteht man alles, was vom Betroffenen ausgesendet und vom Empfänger wahrgenommen wird, ohne dass sich der Betroffene dessen bewusst ist. Andere erkennen Verhaltensweisen und Merkmale, die der Betroffene bei sich selbst nicht wahrnimmt. Durch Feedback der Mitmenschen können Informationen vom blinden Fleck in den Quadranten „Öffentlich“ transportiert werden.
  3. Geheimnis (mir bekannt, anderen nicht bekannt)
    Mein Geheimnis ist jener Bereich den wir selbst kennen, den wir aber nicht mit anderen Teilen wollen. Zum Beispiel: heimliche Wünsche oder „empfindliche Stellen“.
  4. Unbekanntes (mir nicht bekannt, anderen nicht bekannt)
    Das Unbekannte ist jener Bereich, der unser Handeln beeinflusst, über den aber weder wir selbst noch andere etwas wissen. Teile davon werden im Laufe der Zeit sichtbar werden wodurch vieles erklärbar wird, das wir bis dahin nicht einordnen konnten.

    Die PA wollte der Studierenden ihre “blinden Flecken” bewusst machen mithilfe des Rollenspiels. Sie hat sich wissentlich dafür entschieden, dass sie die Rolle der Studierenden einnimmt, damit die Studierende ihre eigenen Verhaltensweisen und Merkmale wahrnehmen kann. So konnte die Studierende diesen “blinden Fleck” in den Quadranten “Öffentlich” verschieben und erst dadurch konnte sie ihre Verhaltensweisen reflektieren, denn vorher waren diese ihr gar nicht bewusst. 

Personenzentrierte Haltung nach Carl Rogers – Warum lässt die PA die Studierende den Klienten spielen? 

 

Die personenzentrierte Haltung besteht aus den Komponenten Empathie (einfühlendes Verstehen), Wertschätzung und Kongruenz. Empathie bedeutet, dass ich versuche das Erleben und die Gefühle meines Gegenübers genau und sensibel zu erfassen, um mich in sein Erleben einzufühlen. Dabei jedoch nicht ausser Acht lasse, dass ich selbst nicht der Andere bin und Empathie demnach nicht mit Identifikation gleichzusetzen ist. Einfühlendes Verstehen dient nicht dazu, die Handlung des Gegenübers einzuordnen oder zu interpretieren, sondern sich möglichst genau in sein Erleben und in seine Welt hineinzuversetzen. Eine innere Haltung, dass man sein Gegenüber verstehen will, wirkt beim Gegenüber entwicklungsfördernd. Wertschätzung kann auch als ein „nicht wertendes Verhalten“ bezeichnet werden und bedeutet, dass ich mein Gegenüber akzeptiere ohne zu werten. Ich akzeptiere den Menschen als ganze Person, so wie er im Augenblick ist, mit all seinen Schwierigkeiten und Möglichkeiten. Kongruenz kann auch als „Echtheit“ bezeichnet werden und bedeutet, dass ich mein eigenes Erleben von dem trennen kann, was ich bei meinem Gegenüber wahrnehme.  (vgl. Pörtner 2004, S.29 ff.) 

 

Die PA geht davon aus, dass die Studierende die Empathiefähigkeit weitgehend besitzt. Sie denkt, dass die Studierende den Klienten und seine Lebenswelt genau und sensibel erfassen kann, um sich in seine Situation und sein Erleben einfühlen kann. Die Studierende fühlt sich mit ihrem Anliegen ernst genommen und geschätzt, dass die PA ihr zutraut die Rolle des Klienten einzunehmen, was eine hohe Empathiefähigkeit voraussetzt. Die PA möchte ebenfalls, dass die Studierende den Klienten und sein Verhalten akzeptiert so wie es in dieser Situation war, mit all den Schwierigkeiten und auch Möglichkeiten darin. Die PA wollte, dass sich die Studierende von ihrem eigenen Erleben der Situation trennen und so den Klienten wahrnehmen kann, um zu erkennen, was ihr Verhalten beim Klienten ausgelöst hat. Damit kann die Studierende selbst die Möglichkeiten solcher Situationen erfassen und Handlungsalternativen erkennen. 

 

Die sozial-kognitive Lerntheorie von Bandura – Warum entwickelt die Studierende Motivation sich am Rollenspiel zu beteiligen? 

 

Bandura geht davon aus, dass das Verhalten von Menschen von ihrer Selbstwirksamkeitserwartung beeinflusst wird. Die subjektive Überzeugung, bestimmte Handlungen ausführen zu können spielt eine entscheidende Rolle. Die individuelle Kompetenzerwartung steht in engem Zusammenhang mit der kollektiven Kompetenzerwartung. Bandura geht davon aus, dass sich diese beiden Kompetenzen wechselseitig positiv beeinflussen. Wenn eine Person überzeugt ist etwas bewirken zu können hat sie eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Bandura geht weiter davon aus, dass die Selbstwirksamkeit ein natürliches Bedürfnis jedes Menschen ist. Eigene Erfolgs- und Misserfolgserlebnisse beeinflussen die eigenen Selbstwirksamkeitserwartung unter der Bedingung, dass die betroffene Person das Erlebnis den eigenen Fähigkeiten bzw. Versagen zuschreibt. Bandura geht weiter davon aus, dass verbale Ermutigungen die Selbstwirksamkeitserwartung erhöhen können. Wenn Personen motiviert werden und ihnen etwas zugetraut wird, geben sie sich mehr Mühe und sind zuversichtlicher.

 

Die Studierende hat eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung. Sie lässt sich von den negativ erlebten Alltags-Situationen nicht beirren und ist bemüht eine andere Handlungsmöglichkeit zu finden. Sie geht davon aus, dass sie das Rollenspiel weiterbringen kann und ist davon überzeugt mit dieser Methode ihrem Ziel und einem Erfolgserlebnis näher zu kommen. Die kollektive Kompetenzerwartung spielt ebenfalls eine Rolle. Die PA erwartet von der Studierenden sich auf diese Methode einzulassen. Sie ermutigt und motiviert die Studierende, was bei der Studierenden zu mehr Zuversicht führt.

 

(vgl. Jonas & Bremer 2002, S. 277 ff.)

 

Das humanistisches Menschenbild und der personenzentrierter Ansatz nach Carl Rogers – Wie begegnet die PA der Studentin? 

 

Das Menschenbild ist der begriffliche Rahmen, auf dessen Basis menschliches Tun beschrieben und der fundamentale Wert definiert wird. Damit liefert das Menschenbild zugleich ein grundlegendes Erklärungsmodell und einen Rahmen für die Entwicklung konkreter Handlungsstrategien. Konkret bedeutet dies, dass man das menschliche Verhalten erklären kann, wenn man weiss welches Menschenbild eine Person hat. Das heisst zum einen ist das Menschenbild ein Erklärungsmodell für das Verhalten einer Person und zum anderen kann man darauf aufbauend konkrete Handlungsstrategien entwickeln. 

 

Die Hauptthesen des humanistisches Menschenbildes sind:

 

  • der Mensch ist von Natur aus gut und konstruktiv ist.
  • Der Mensch hat die Fähigkeit sich zu entwickeln, denn jedem Mensch ist ein Wachstumspotenzial zu eigen.
  • Der Mensch strebt nach Autonomie und Selbstverwirklichung.
  • Die Entwicklung erfolgt aufgrund des Selbstkonzeptes und der gemachten Erfahrung.  
  • Konflikte entstehen durch eine Inkongruenz zwischen Selbstkonzept und den gemachten Erfahrungen.
  •  Akzeptanz, Empathie und Kongruenz unterstützen die Selbstaktualisierungstendenz.

Der personenzentrierte Ansatz nach Carl Rogers geht ebenfalls davon aus, dass jeder Menschen das Potential  und die Tendenz besitzt, sich konstruktiv zu entwickeln. Es liegt also in der Natur des Menschen sich immer weiter zu entwickeln, um selbstver­antwortlich seine Proble­me zu lö­sen – sich also selbst zu verwirklichen.  Die Vorausset­zung dafür ist aber auch, dass die Per­son in Bezie­hungen tritt, in denen es ihr ermög­licht wird, sich so zu zeigen und so zu sein, wie sie in Wahrheit ist. Dabei wird sie immer mehr von ihren vorhanden Mög­lichkeit, Fähigkeiten und Ressour­cen entdec­ken und diese auch verstehen, zu nut­zen. (vgl. Skora, 2006, S.2 ff.) 

 

Die PA hat ein humanistisches Menschenbild und bezieht sich in ihrer Arbeit auf den personenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers. Sie geht davon aus, dass die Studierende die Fähigkeit hat sich selbst weiter zu entwickeln und dass das Potential in der Beziehung zu ihr freigesetzt werden kann. Die PA ist wertschätzend und sieht, dass die Studierende ihr eigener Meister ist. So richtet sie ihr Handeln auf die “Hilfe zur Selbsthilfe” aus, indem sie der Studierenden ermöglicht ihre eigenen Verhaltensweisen mit dem Rollenspiel reflektieren zu können und danach daraus abgeleitet auch eigene Handlungsalternativen zu entwicklen. 

 

5.2      Interventionswissen – Wie kann ich als professionelle Fachperson handeln?

 

Negatives Wissen und Lernen aus Fehlern nach Fritz Oser- Wie kann die PA eine geeignete Lernsequenz gestalten? 

Das negative Wissen ist eine spezielle Form des Erfahrungswissens. Es ist das Wissen darüber, was falsch ist oder wie bestimmte Probleme nicht gelöst werden können. Es wird davon ausgegangen, dass Lernen aus Fehlern häufig mit der Einsicht in die Falschheit eigener Annahmen oder Handlungsmuster verbunden ist. Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das Lernen aus Fehlern verschiedene Funktionen hat. Fehler bewirken ein so genanntes Schutzwissen. Dies bedeutet, dass quasi ein Immunsystem dahingehend aufgebaut wird, dass das Gleiche unter ähnlichen Umständen vermieden wird. Wenn man in eine ähnliche Situation gerät, erinnert man sich, und diese Erinnerung steuert unser Handeln so, dass man denselben Fehler nicht wieder tut. Die Erinnerung wird eine Art metakognitives Alarmsystem, das ausgelöst wird, weil die Situation ähnlich ist und man Gefahr läuft, den gleichen Fehler nochmals zu begehen. (vgl. Oder & Spychiger, 2005)

 

Ein bedeutsamer Aspekt der Theorie des negativen Wissens besteht darin, dass dieses in besonderer Weise über das Begehen von Fehlern aufgebaut werden kann. Das impliziert aber eine besondere Haltung, die als Fehlerkultur bezeichnet wird. Mit Fehlerkultur ist nicht die Akzeptanz des Falschen gemeint, auch nicht das Lob des Fehlers.  Es ist viel mehr damit gemeint, dass Fehler, die nicht auftreten sollten in einer Weise behandelt werden, dass aus ihnen negatives Wissen aufgebaut werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass die in einem sozialen System bestehenden Einstellungen und Verfahrensweisen im Umgang mit Fehlern grossen Einfluss darauf ausüben, wie jeder einzelne mit Fehlern umgeht. (vgl. Oser & Spychiger, 2005) 

 

Damit eine positive Fehlerkultur entstehen kann und so ein guter Umgang mit Fehlern vermittelt wird, muss die PA einige Leitsätze beachten:

 

  • Die PA soll die Studierende nicht bloss stellen, wenn sie einen Fehler begeht. 
  • Die PA soll die Studierende ermutigen, damit sie sich in heiklen Situationen vom PA getragen fühlt. 
  • Die PA soll auf Fehler der Studierenden nicht unkontrolliert reagieren, das heisst die eigene Reaktion (Ärger, Überforderung, etc.) beachten.
  • Die PA soll die positive kollegiale Reaktion fördern 
  • Die PA soll gute Strategien der Auseinandersetzung mit dem Falschen fördern. Sie soll die Studierende ermutigen eigenen Lösungen zu finden. 
  • Die PA soll hemmende Emotionen bei der Studierenden erkennen und ansprechen, damit ein natürlicher Umgang mit negativen Emotionen entstehen kann. 
  • Die PA soll die Fehlerbereitschaft und die Bedeutsamkeitseinschätzung der Studierenden fördern. 
  • Die PA soll ihre eigene Fehlerbereitschaft und -toleranz überprüfen und sich selbst Fehler zugestehen und zu ihnen zu stehen. (vgl. Widulle, 2011)

Nach dem Vermitteln der vorangegangenen Leitsätzen könnte die PA die Lernsequenz so gestalten, dass sie zur Reflexion das Lernexperiment “Archäologie eines Fehlers” (Quelle: Gössler, Martin (2008). Lernchance Fehler: Wie Fehler zum Glücksfall werden. in: ManagerSeminare Nr. 119 (2008). S. 20-25) zur Unterstützung nimmt. Die Studierende kann den Fragebogen ausfüllen und gemeinsam könnten sie den Fragebogen evaluieren und gegebenenfalls erweitern. So kann die PA nicht nur die Fehlerkultur der Studierenden fördern, sondern auch ihre Selbstreflexion. 

 

Fragebogen

 

(Quelle: Gössler, Martin (2008). Lernchance Fehler: Wie Fehler zum Glücksfall werden. in: ManagerSeminare Nr. 119 (2008). S. 20-25) Archäologie eines Fehlers – Ein Lernexperiment

 

Instruktion
Vergegenwärtigen Sie sich die persönliche Erfahrung eines beruflichen Fehlers – eher kleinen oder mittleren Schwierigkeitsgrades. Bitte verzichten Sie auf allzu gravierende (z.B. mit Trau- matisierungen oder gravierenden Folgen verbundene) Erfahrungen beruflichen Fehlverhaltens. Machen Sie sich zu jedem der folgenden Aspekte Notizen. Falls Sie Zeit haben und dies möch- ten, tauschen Sie sich mit jemandem darüber aus.

1. Meine Erfahrung des Scheiterns/Fehlers

  • Was ist genau passiert?
  • Wer war beteiligt?
  • Was habe ich empfunden?

2. Die schwachen Signale
Kaum ein Fehler fällt vom Himmel. Meist kündigt er sich auf leisen Sohlen an. Schwache Signale weisen auf ein Risiko hin. Wenn wir freundlich untersuchen, wie wir schwache Signale überhört haben, schärfen wir unsere Wahrnehmungsfähigkeit für die Zukunft. Fragen Sie sich:

  • Welche inneren oder äusseren Signale kündigten den Fehler an?
  • Was habe ich getan, um diese Signale zu überhören?

3. Die andere Seite
Jede Erfahrung hat viele Seiten. Wenn wir etwas als fehlerhaft oder gescheitert erleben, neigen wir manchmal dazu, Teilerfolge auszublenden. Schreiben Sie auf:

 

  • Was mir trotz des Fehlers gelungen ist:
  • Auf was ich trotz des Fehlers stolz sein kann:

4. Das unerreichte Ziel
Scheitern impliziert, dass etwas nicht erreicht wurde. Ein vielleicht implizites, latentes oder zu hohes Ziel. Die damit verbundene Enttäuschung ist wertvoll, verweist sie doch auf eine voran- gegangene Täuschung: Überlegen Sie sich daher,

  • Was wollte ich in der Situation erreichen?
  • Was will ich jetzt erreichen?

5. Schlussfolgerungen und Fähigkeiten
Herausfordernde Situationen bringen uns dazu, brachliegende oder zu wenig genutzte Fähigkeiten zu aktivieren und neue Problemlösungen oder Handlungsmuster zu entwickeln. Überlegen Sie,

 

  • Welche Schlussfolgerungen habe ich aus dem Fehler/Scheitern gezogen?
  • Welche Fähigkeiten musste ich/konnte ich durch die Erfahrung des Fehlers entwickeln?
  • Anhand welcher Fakten, Indizien oder Regeln unterscheide ich in zukünftigen ähnlichen Situationen das „Richtige“ vom „Falschen“?

 Motivierende Gesprächsführung nach Miller und Rollnick: Wie kann die Veränderungsbereitschaft der Studierenden gefördert werden?

 

Die Motivierende Gesprächsführung integriert Grundsätze und Erkenntnisse der Gesprächspsychotherapie, der Verhaltenstherapie, humanistischer Therapieschulen sowie der Kommunikationspsychologie und wurde ursprünglich als Beratungskonzept in der Arbeit mit Menschen mit problematischem Suchtmittelkonsum entworfen. Inzwischen findet es jedoch in unterschiedlichsten Arbeitsfeldern Anwendung. Dem Konzept liegt zugrunde, dass jeder Mensch Veränderungspotenzial besitzt und der Gesprächsleitende dabei hilft dieses bei seinem Gegenüber freizusetzen und den natürlichen Veränderungsprozess zu fördern. Ziel ist die Unterstützung zur Befreiung von ambivalenten inneren Konflikten und die Förderung von Veränderungsprozessen. Die Gespräche werden mittels gezielter Fragen und Interventionen vorangetrieben, aber das Gegenüber bleibt immer autonom.

 

Dabei beruht das Konzept auf fünf Prinzipien:

 

  1. Empathie ausdrücken
  2. Diskrepanzen entwicklen
  3. Beweisführungen vermeiden
  4. Den Widerstand akzeptieren und aufnehmen
  5. Selbstwirksamkeit fördern

(vgl. Miller/Rollnick 2015, S. 15 ff.)

 

Beispiel für eine Vorgehensweise mit der Anwendung der motivierenden Gesprächsführung:

 

  1. Schilderung der herausfordernden Situation durch die Studentin. PA hört aufmerksam und empathisch zu.
  2. Die PA fördert die Entwicklung von Diskrepanzen, welche die Handlungsweise der Studentin in der besagten Situation betreffen. Das können z.B. Widersprüche zwischen der eigenen Wertevorstellung und dem eigenen Handeln sein. Die Studentin ist gefragt ihre Handlungsweise zu reflektieren und darzulegen.
  3. Die PA achtet darauf, dass sie zu einer wertfreien Bewusstseinsmachung beiträgt und vermeidet Beweisführungen.
  4. Die PA reagiert aufmerksam auf den Widerstand der Studentin: z.B. die Studentin will sich nicht zwischen zwei Werten entscheiden, die in ihrem Handeln im Widerspruch zueinander stehen, da beide gleichwertig für sie sind. Die Aufgabe der PA liegt nicht darin, sie vom Gegenteil zu überzeugen, sondern darin diesen Widerstand zu akzeptieren. Die PA kann die Hintergründe erfragen, den Widerstand aufnehmen und beispielsweise nach komplett anderen Handlungssweisen fragen, die für die Studentin stimmig sind, weil sie z.B. auf einem komplett anderen Wert beruhen.
  5. Die PA stärkt die Studentin positiv und fördert ihre Zuversicht zur Veränderung.
  6. Danach können gemeinsam ZIele ausgearbeitet und der Veränderungsweg konkretisiert und Strategien erarbeitet werden. Die PA begleitet und unterstützt den Veränderungsprozess auch über das Gespräch hinaus.

Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall M. Rosenberg: Wie kann die Reflexionsfähigkeit der Studierenden und der Praxisanleitenden gefördert werden?

 

Die gewaltfreie Kommunikation dient der konstruktiven Auseinandersetzung von Mensch zu Mensch. Der Gesprächsansatz geht davon aus, dass das Selbst- und Fremdbild zweier Gesprächsparteien die Sicht auf das verstellt, was die beteiligten Mensch in ihrem tiefsten Inneren wirklich denken, fühlen und wollen. Ziel dabei ist die ehrliche und klare Ausdrucksweise und gleichzeitig das Schenken von respektvoller und emphatischer Aufmerksamkeit innerhalb eines Gespräches. Dabei beschreibt M. Rosenberg vier Komponenten des Modells:

 

  1. Beobachtungen:
    Die beschreibende Beobachtung, die frei von Wertung oder Interpretation ist.
  2. Gefühle:
    Das Benennen der eigenen Gefühle, welche erzeugt werden, wenn die Handlung beobachtet wird.
  3. Bedürfnisse:
    Das Benennen der eigenen Bedürfnissen, die hinter den Gefühlen stehen.
  4. Bitte:
    Das Formulieren einer sehr spezifischen Bitte.

(vgl. Rosenberg 2010, S. 25f.)

 

Das Arbeiten nach diesem Modell funktioniert auf zwei Arten: Zum einen mit der eigenen Anwendung dieser vier Informationsteile im Gespräch mit anderen Menschen und zum anderen stellt das aufmerksame Aufnehmen dieser vier Informationsteile eine weitere Arbeitsweise mit dem Modell dar.

 

Beide Angehensweisen könnten in der Schlüsselsituation angewendet werden:

 

Ein Bespiel für die Anwendung der PA der vier Komponenten im Gespräch:

 

  1. “Ich habe in den letzten Wochen zwei Situationen beobachtet, in welchen du Konfliktgespräche mit einem Jugendlichen geführt hast. Die Gespräche endeten abrupt und ich habe im Anschluss von dir gehört, dass die Situation dich emotional erregt hat.”
  2. “Ich bin interessiert wie es dir genau ergangen ist in diesen Situationen.”
  3. “Ich brauche einen Austausch und Transparenz, damit ich meiner Rolle als PA gerecht werde und dich in der Ausbildung deiner Berufsidentität bestmöglichst begleiten kann.”
  4. “Bitte erzähl mir ganz genau, wie sich die beiden Situationen ereignet haben.”

Ein Beispiel für die Anwendung der PA, die die vier Komponenten bei der Studierenden aufmerksam aufnimmt:

 

  1. PA: “Ich habe gehört, dass du gesagt hast, der Jugendliche sei frech gewesen. Was hast du spezifisch beobachtet, dass du sagst, dass er frech war?”
    Studierende: “Er hat gesagt, dass er sich von mir als Auszubildende nichts sagen lässt.”
  2. PA: “Welche Gefühle hat das in dir ausgelöst, als der Jugendliche dir gesagt hat, dass er sich nichts von dir sagen lässt?”
    Studierende : “Ich habe mich hilflos, ohnmächtig und überfordert gefühlt in dieser Situation.”
  3. PA:”Welches Bedürfnis könnte hinter dieser situativen Hilflosigkeit und Überforderung stecken? Was hättest du in diesem Moment gebraucht?”
    Studierende “Ich weiss nicht. Vielleicht dass er mich ernst nimmt und mir eine Chance gibt.”
  4. PA: ” Könnte das Bedürfnis nach Respekt dahinter stehen?”
    Studierende: “Ja, ich glaube schon.”
    PA: “Wenn ich der Jugendliche wäre, was würdest du dir von mir wünschen, damit du dich respektiert fühlst? Kannst du eine konkrete Bitte formulieren?”
  5. Studierende: “Würdest du dir bitte die Zeit nehmen, dich mit mir hinzusetzen und in Ruhe über dein Anliegen zu sprechen?”

5.3      Erfahrungswissen – Woran erinnere ich mich, was kenne ich aus ähnlichen Situationen?

Erfahrungswissen, das für die Durchführung des PA Gesprächs genutzt werden kann:

 

  • Erfahrung im Führen von vorangehenden PA Gesprächen mit der Studierenden, diesbezüglich ist der PA auch bewusst, dass die Studierende einen hohen Anspruch an die eigene Leistung besitzt.
  • Eigene positive Erfahrungen bei Spiegelung des eigenen Handelns und dessen Auswirkung mit Hilfe von Rollenspielen.
  • Eigene positive Erfahrungen damit, dass in einem Rollenspiel, bei dem eine andere Person einem spielt, die eigenen “blinden Flecken” gut sichtbar werden und reflektiert werden können. 
  • Erfahrungen mit anderen Studierenden, dass Rollenspiele nicht sehr beliebt sind. 
  • Erfahrung bezüglich dem Ansprechen von herausfordernden Situationen und den damit gemachten positiven Erfahrungen.
  • Eigene Erfahrungen, dass der Fokus auf die Lösung eines Problems hilfreicher sein kann, als das Problem zu fokussieren und zu eruieren. 

Erfahrungswissen, das für die Analyse der mit der Studierenden zu besprechenden Situation genutzt werden kann:

  • Erfahrungen mit KlientInnen, dass Abwehrhaltungen eher durch Rückzug und Verständnis aufgelöst werden als mit weiteren Konfrontationen.
  • Erfahrungen mit KlientInnen, dass ein stetes Wiederholen und Darlegen einer Forderung dazu führen kann, dass sich der Widerstand und die Diskussion verstärkt bzw. verhärtet. 
  • Erfahrungen mit KlientInnen, dass sich Jugendliche in einer Gruppe oftmals gegenseitig profilieren müssen. Mit Widerstand gegenüber den Erwachsenen versuchen sie Anerkennung bei den Gleichaltrigen zu finden.
  • Erfahrung mit KlientInnen, dass sich Jugendliche nach einer emotionalen Situation beruhigen und nicht nachtragend sind. 
  • Erfahrungen mit KlientInnen, dass Jugendliche in einer emotionalen Situation nicht auf Erklärungen oder sachliche Informationen reagieren können. Im Nachhinein ist eine Reflexion meist möglich. 
  • Erfahrung mit KlientInnen, dass zu grosser Druck zu einem negativen Machtkampf führen kann. 
  • Erfahrungen mit KlientInnen, dass sich durch gezielte Abgrenzung eine zu emotionale Diskussion verhindern lässt.

5.4      Organisations- und Kontextwissen – Welche Rahmenbedingungen beeinflussen mein Handeln?

 

  • Auftrag der Institution ist das Betreuen und Fördern der Kinder und Jugendlichen in verschiedenen Alltagsaufgaben sowie in schulischen Aufgaben.
  • Hauptziele der pädagogischen Förderung sind die Auseinandersetzung mit den Grenzen der eigenen Möglichkeiten im Alltag und die Erreichung einer möglichst  grossen Selbständigkeit.
  • Jedes Kind soll möglichst ideale Voraussetzungen für seine persönliche, körperliche und geistige Entwicklung erhalten.
  • Ausbildungskonzept und Aufgaben als PA kennen, sowie Anforderungen/Vorgaben der FH berücksichtigen.
  • Ausbildungsstand der Studierenden kennen, in diesem Fall hat sie bereits viel theoretisches Wissen von Studium und auch praktische Erfahrung.
  • Die PA arbeitet mit der Studierenden zusammen im selben Team. Somit kann die PA die Studierende in den Alltagssituationen direkt begleiten und unterstützen. 
  • Alle zwei Wochen finden Praxisausbildungsgespräche von jeweils eineinhalb Stunden statt. Diese sind im Ausbildungskonzept der Institution verankert und werden in den Arbeitsplänen eingeplant.

5.5      Fähigkeiten – Was muss ich als professionelle Fachperson können?

 

  • Feedbackregeln kennen und situationsgerecht anwenden können. 
  • Gesprächsführungskompetenzen besitzen und das Gespräch mit Hilfe dieser Kompetenzen strukturieren und aufbauen können. 
  • Die Fähigkeit besitzen einen Perspektivenwechsel beim Gegenüber anregen zu können und zu begleiten. 
  • Die Theorie der gewaltfreien Kommunikation kennen und im Gespräch anwenden können. 
  • Fähigkeiten und Methoden kennen, um einen Reflexionsprozess bei der Studierenden zu gestalten.
  • Den lösungsorientierten Ansatz kennen und im Gespräch und auf die Situation anwenden können. 
  • Einen emphatischen und wertschätzenden Umgang mit der Studierenden haben. 
  • Die Studierende fördern und fordern unter Einbezug der erlebten Situation mit dem Klienten, aber ohne zu überfordern.
  • Eine bewusste Beziehungsgestaltung vornehmen indem man Vertrauen vermittelt, die eigene Verschwiegenheit zusichert und transparent ist. 
  • Das Verständnis für Prozessgestaltung und Kompetenzentwicklung aufbringen können. 

5.6      Organisationale, infrastrukturelle, zeitliche, materielle Voraussetzungen – Womit kann ich handeln?

 

  • Es finden regelmässige, terminierte PA-Gespräche innerhalb der Arbeitszeit statt.
  • Für die Gespräche stehen der PA und der Studierenden ein eigener Sitzungsraum zur Verfügung.
  • Der Arbeitsplan ist so gestaltet, dass die PA und die Studierende regelmässig gemeinsam Dienste absolvieren.
  • Im Vorfeld der PA-Gespräche wird eine Traktandenliste zur individuellen Ergänzung geführt.
  • Nach den PA-Gesprächen wird ein Protokoll angefertigt und von PA und der Studierenden gelesen und unterzeichnet.
  • Qualifikation der PA durch Basiskurs oder CAS “Praxisausbildung” an einer Fachhochschule
  • In der Institution ist ein Ausbildungskonzept vorhanden und PA sowie Studierende wissen um deren Inhalte und richten sich danach.
  • Es stehen die benötigten Arbeitsmaterialien zur Verfügung.

5.7      Wertewissen – Woraufhin richte ich mein Handeln aus? Welches sind die zentralen Werte in dieser Situation, die ich als handelnde Fachperson berücksichtigen will?

  • Orientierung an gelebten Werten wie Verbindlichkeit, Transparenz und Achtsamkeit.
  • Wissen um Berufskodex und –ethik sowie Berufshabitus
  • authentische Haltung als Mensch und als Professionelle/r (Spannungsfeld)
  • Ermöglichen von Partizipation der Studierenden an der Gestaltung der Lernsequenz
  • Respektieren der Selbstbestimmung der Studierenden in Bezug auf die Offenheit gegenüber bzw. das Sich-Einlassen auf die Lerneinheit und das Annehmen von Lerninhalten
  • Voraussetzung schaffen für die Ermächtigung der Studierenden durch das Entwerfen von Handlungsalternativen
  • Zutrauen in die Studierende und ihre Weiterentwicklung der Berufsidentität und ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten 
  • Vertrauen weiter fördern, um das Arbeitsbündnis aufrecht zu erhalten bzw. zu stärken.
  • Wertschätzung und Respekt der Studierenden gegenüber als Mensch und Mitarbeitende 
  • Respektieren der professionellen Arbeit und der Berufserfahrung der SpiA
  • Orientierung am Leitbild, Menschenbild und am Ausbildungskonzept der Organisatio

Strukturqualität:

  • Es ist aufgrund der Störungsfreiheit davon auszugehen, dass die zeitliche, räumliche und personelle Ressource gewährleistet wurde.
  • Die Studentin befindet sich im zweiten Ausbildungsjahr und arbeitet bereits seit längerer Zeit in der Institution mit der  PA zusammen. Dies führt zur Annahme, dass die Erwartungen im Spannungsfeld der Hochschule und dem Praxisausbildungsplatz sowie zwischen PA und Studiernende geklärt sind.
  • Der Ablauf der Sitzung wurde teilweise im Vorfeld gemeinsam geplant. Die grobe Struktur (Besprechung einer belastenden Alltagssituation) des Gespräches wurde abgesprochen, die methodische Vorgehensweise jedoch nicht. Allfällige weitere Traktanden wurden ausser Acht gelassen.

Prozessqualität:

  • Aufgrund dessen, dass die Studierende sich “gut auf das methodische Vorgehen der PA einlassen konnte”, kann vom Vorhandensein und Bestehenbleiben der Kooperationsbereitschaft ausgegangen werden.
  • Aufgrund der klaren Anleitung durch eine methodischen Herangehensweise ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichkeiten zwischen den Beteiligten geklärt und die PA ihre Verantwortung als Gestalterin von Lernprozessen wahrnimmt.
  • Aufgrund dessen folgender Merkmale, ist von einem Gespräch im Rahmen von Empathie, Wertschätzung und Kongruenz auszugehen: Einleitung des Gesprächs durch Befindlichkeitsrunde, die Studierende erhält die freie Wahl eine Situation auszuwählen, Emotionen werden abgefragt bzw. benannt,  Durchführung Hilfestellung durch Rollenspiel,  gemeinsames Suchen nach Handlungsalternativen.
  • Es gibt insbesondere beim Gesprächsabschluss weitere Möglichkeiten Empathie, Wertschätzung und Kongruenz noch weiter aufrechtzuerhalten oder zu fördern. 
  • Die methodische Vorbereitung im Vorfeld wurde vorgenommen, was durch die Benennung der Inhalte des Gesprächs durch die PA sichtbar gemacht wurde.

Ergebnisqualität:

  • Aufgrund dessen, dass ein funktionierendes Arbeitsbündnis beim PA-Gespräch hergestellt wurde, ist davon auszugehen, dass im Vorfeld die Erwartungen und Rollen im Spannungsfeld zwischen Hochschule und Praxisausbildungsplatz sowie zwischen PA und Studierende geklärt worden sind. Dieser Qualitätsstandard ist jedoch nicht abschliessend überprüfbar, da nur wenige Informationen in der Situationsschilderung zur Verfügung stehen.
  • Das Arbeitsbündnis bleibt bestehen zusätzlich wurde es durch den positiven Erfahrungsgewinn der Studierenden gefestigt.
  • Aufgrund des Lerngewinns der Studierenden, welcher von ihr benannt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der beruflichen Identität der Studentin hergestellt worden ist. Eine herausfordernde Situation, die ein Lern- und Übungsfeld darstellt, wurde in einer der regelmässigen, strukturell verankerten PA-Sitzungen bearbeitet und reflektiert. Daraufhin gelingt es der Studierenden neue Handlungsansätze zu entwickeln.
  • Die Reflexionsfähigkeit wurde mit bewusst gewählten methodischen Mitteln (Rollenspiel) gefördert und ist zentral im Gespräch. Dies lässt sich anhand folgendem erkennen:  Die Schlussfolgerungen, die von der Studentin nach dem Rollenspiel gezogen wurden, zeugen von einer adäquaten Reflexionsfähigkeit. Die PA hält sich verbal mit der Wertung der von der Studierenden geschilderten Situation zurück und entscheidet sich für die Methode des Rollenspiels, um der Studierenden die Möglichkeit zu geben, die Situation erneut – diesmal aber aus Sicht des Klienten – zu sehen, um einen Perspektivenwechsel durchzuführen. So gewann die Studierenden neue Einsichten aus der eigenen und neugewonnenen Erfahrung und der daraufaufbauenden Reflexion und konnte diese benennen.

Die Qualitätsstandards und die Ressourcen lassen mögliche Handlungsalternativen auf unterschiedlichen Ebenen ableiten:

 

Handlungsalternativen auf der strukturellen Ebene

  • Die Praxisausbildende stellt im Vorfeld sicher, dass alle nötigen Ressourcen vorhanden sind, damit regelmässige und strukturell verankerte PA-Sitzungen stattfinden können. Das Ausbildungskonzept der Institution kann als Grundlage für Aushandlungsprozesse mit Vorgesetzten dienen, wenn es um die Sicherung der Grundressourcen geht.
  • Einforderung von Teamunterstützung, damit fehlende strukturelle Ressourcen hergestellt werden können.
  • Die Praxisausbildende stellt mithilfe von kooperativer Gesprächsführung während der gesamten Zeit des Ausbildungsverhältnisses sicher, dass die Erwartungen im Spannungsfeld der Hochschule und dem Praxisausbildungsplatz sowie zwischen PA und Studierenden geklärt wird/ist/bleibt. In herausfordernden Situationen kann die Praxisausbildende sich Unterstützung in Form von Kollegialer Beratung zuziehen.
  • Die Praxisausbildende stellt das Vorhandensein einer Traktandenliste und das Verfassen eines Protokolls der PA-Sitzungen sicher und klärt mit der Studierenden, wie sie die Vor- und Nachbereitung eines PA-Gesprächs gestalten werden.
  • Das Gespräch kann so so strukturiert werden, dass Raum für das Anliegen der Studierenden geschaffen und gleichzeitig aber auch andere Traktanden in die Sitzung aufgenommen werden können. Die PA nimmt das Anliegen auf und kann später im Gespräch darauf zurückkommen.

 

Handlungsalternativen auf der Prozessebene

 

  • Zum Einstieg in das Gespräch kann die Praxisausbildende mithilfe der Gewaltfreien Kommunikation das Arbeitsbündnis positiv stärken und sicherstellen und in einem Folgeschritt gemeinsame Ziele des Gesprächs ausarbeiten.
  • Die Praxisausbildend kann der Studierenden bereits zu Gesprächsbeginn die Vertraulichkeit resp. Verschwiegenheit zusprechen. 
  • Die Praxisanleitende kann im Vorfeld mit der Studierende die methodische Überlegung des Rollenspiels anhand des Johari-Fensters erklären und so das Arbeitsbündnis durch vermitteltes Wissen stärken.
  • Mithilfe der motivierenden Gesprächsführung kann die Praxisausbildende Diskrepanzen aufdecken, Veränderungsbereitschaft fördern indem sich die Studierenden eigene Ziele setzt und sich mit der Vorgehensweise auseinandersetzt.

Handlungsalternativen auf der Ergebnisebene

 

  • Die Praxisanleitende kann die Gewaltfreie Kommunikation als methodisches Mittel des Gespräches einsetzen und das Rollenspiels gemeinsam reflektieren. So können zentrale Themen benannt werden und diese in einem nächsten Schritt weiter bearbeitet werden.
  • Es können weitere Vorgehensweise besprochen werden. Neue Themen wie z.B. Konfliktmanagement können für weitere PA-Sitzungen ins Auge gefasst werden.
  • Der Persönliche Lerngewinn mit der Studierenden behandeln und z.B. nach den Prinzipien des negativen Wissens und Lernen aus Fehlern nach Fritz Oser.
  • Die Praxisanleitende kann den Lerngewinn anhand einer ähnlichen, neuen Praxissituation in einem nächsten Gespräch gemeinsam mit der Studierenden überprüfen.
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  • Jonas, K. & Brömer, P. (2002). Die sozial-kognitive Theorie nach Bandura. In: D. Frey, & M. Irle (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie. Bd. 2: Gruppen-, Interaktions- und
  • Lerntheorien. Bern: Hans Huber. 
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  • Luft, J. (1973). Einführung in die Gruppendynamik.Stuttgart: Ernst Klett Verlag. 
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  • Skora, A. (2006). Das humanistische Menschenbild am Beispiel Carl Rogers. München: GRIN Verlag. 
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  • http://web.fhnw.ch/plattformen/praxisausbildung/praxistagung-1/bisherige-tagungen/15-september-2011/Angebot%208.pdf 

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